Der Insulaner
Arzneikräutern und seltenen Pflanzen von Wert Ausschau hält, und unter Umständen auch ein Fachmann, der nach Mineralien sucht, von denen die Eingeborenen vielleicht gar nichts ahnen. Ich glaube, du wirst wichtige Einzelheiten über die Tierwelt und die Sitten und Gebräuche der Einheimischen erfahren. Diese Dinge haben wir zu unserem Bedauern in der Vergangenheit oftmals vernachlässigt.«
Die Erklärung hörte sich nach Haels Meinung ausgesprochen vernünftig an. »Wie geht so eine Expedition vor sich?« fragte er.
»Hier in Kasin«, begann Shong, »beladen wir Nusks mit den Waren, die gewöhnlich im Landesinneren begehrt werden. Wenn wir unterwegs in eine Wüste gelangen, müssen wir die Nusks gegen Buckler eintauschen. Erweist sich ein Gelände für Tiere als unpassierbar, heuern wir Einheimische als Träger an. Wir halten immer nach Flüssen Ausschau, die in die gewünschte Richtung fließen. Eine Reise auf dem Fluss ist einfacher und kann viel Zeit sparen. Aber diesmal wird uns das sicher nicht vergönnt sein, außer vielleicht auf dem Rückweg. Den bisherigen Berichten nach muss man sich sehr, sehr weit ins Landesinnere vorwagen, ehe man auf Flüsse stößt, die nach Osten fließen.«
»Gehen wir Menschen zu Fuß?« wollte Hael wissen.
»Die Viehtreiber und die meisten Wachen schon«, antwortete Shong. »Die Anführer reiten, wenn sie geeignete Tiere dafür besitzen.«
Hael wandte sich an Pashir. »Würde ich als dein Sonderbeauftragter ein Reiteabo bekommen?«
Pashir lächelte wohlwollend und – so hatte es den Anschein – aufrichtig. »Ich ahnte, dass du mich danach fragen würdest. Doch, ich glaube, das lässt sich einrichten. Ich werde mich um deine Ausstattung kümmern. Glaub mir, du wirst mehr als nur das Schwert und den Speer brauchen. Natürlich gebe ich dir keine so heißblütige Kreatur wie Mondfeuer, aber wir haben ein paar Wallache im Stall, deren Jagd- und Kampftage vorüber sind. Niemand würde ein vollblütiges Cabo als reines Transportmittel benutzen.«
Haels Herz tat einen Hüpfer. Er sehnte sich danach, Mondfeuer erneut zu reiten, aber das wäre eine zu große Erwartung gewesen. Doch es war schon großartig genug, irgendein Cabo sein eigen nennen zu können. »Wie könnte ich ein so großzügiges Angebot zurückweisen? Selbstverständlich nehme ich mit Freuden an. Wann brechen wir auf?«
»In acht oder neun Tagen«, antwortete Shong. »Die Gebirgspässe werden durch den Schnee versperrt sein, wenn wir dort ankommen, und wir müssen am Fuß der Berge überwintern, um dann im Frühjahr sobald wie möglich aufbrechen zu können. Wenn alles gut geht, kehren wir vor dem nächsten Wintereinbruch wieder zurück.«
»In diesem Fall«, erklärte Hael, an Pashir gewandt, »würde ich, mit deiner Erlaubnis, gerne in den Ställen arbeiten, um mehr über die Cabos zu erfahren.«
Meletta sah lächelnd in ihr Weinglas. »Wie ein echter Hirte gesprochen.«
»Das will ich meinen«, antwortete Hael. »In meiner Heimat gibt es kein größeres Lob.« Die Frau errötete, aber alle anderen schienen Gefallen an seiner Antwort zu finden, sogar Melettas Gemahl.
»Selbstverständlich«, sagte Pashir. »Meine Leute werden dir zur Seite stehen. Jeder tüchtige Mann sollte sich mit Cabos auskennen.«
Während die nächsten Gänge serviert wurden, drehte sich das Gespräch um die Absonderlichkeiten jener Edelleute, deren Caboliebe sie zu ungewöhnlichen Taten trieb. Zum Beispiel bestand ein Prinz aus königlichem Blut darauf, die Ställe seiner Tiere selbst auszumisten. Ein anderer, der kürzlich riesige Ländereien geerbt hatte, war außer sich vor Stolz über einen von ihm erfundenen Striegel.
Nach der Mahlzeit beschenkte Pashir seine Gäste mit kleinen Kostbarkeiten und verabschiedete sie mit überschwänglichen Worten. Dann nahm er Hael beiseite.
»Warte noch einen Augenblick, ehe du dich zurückziehst, mein Freund. Hael, du bist ein wirklich bemerkenswerter junger Mann. Und das meine ich ehrlich.«
»Ich glaube dir«, antwortete der Junge. »Ein Mann deiner Stellung hat es nicht nötig, einen ausländischen Niemand wie mich zu hofieren.«
»Wie gut, dass du es richtig einzuschätzen weißt. Die Hilfe, die du heute Morgen meiner Tochter zukommen ließest, weiß ich zu schätzen, aber ich erwartete, einen anstelligen Naturburschen vorzufinden, dem ich eine kleine, aber ehrenhafte Belohnung geben wollte. Als ich dich dann erblickte, wusste ich, dass du anders bist. Dein ungewöhnliches Tun bei den
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