Der Ire
liebevoll mit der Hand durch das
Haar. »Was tust du hier?«
Der Junge sprach in kurzen Sätzen und bemühte sich offenbar, nicht zu stottern, indem er alle schwierigen Worte ausließ.
»Er wwill mmehr Schafe.«
Hannah nickte. »Wir essen heute mittag hier oben. Willst du mitkommen?«
Brendan sah zu Rogan hinüber und wurde dann rot vor Freude. »Ddarf ich?«
»Wenn du willst.«
»Ich kkönnte Ihnen den ›Langen Stollen‹ zeigen, Mr. Rogan. Dder gefällt Ihnen bestimmt.«
Rogan wandte sich an Hannah. »Den ›Langen Stollen‹?«
Sie zeigte auf das Westende des Damms, wo die Mauer unter einer steilen Felswand im dichten Unterholz verschwand. »Der Eingang ist von hier aus nicht zu sehen, aber dort beginnt ein Kanal, der durch die Felsen ins nächste Tal führt. Früher ist das Erz auf diesem Weg abtransportiert worden.«
Sie folgten dem Damm bis zu der Stelle, wo eine dunkle Tunnelöffnung zwischen den Bäumen sichtbar wurde. Als Rogan sich bückte, sah er einen winzigen Lichtpunkt am anderen Ende des niedrigen Stollens.
»Wie lang ist er?
»Sechs- oder siebenhundert Meter.«
Er stieß einen Pfiff aus. »Alle Achtung!«
»Soviel ich weiß, ist hier nur ein bereits vorhandenes Höhlensystem ausgebaut worden. Es hat sich erst nach dem Dammbau mit Wasser gefüllt.«
»Trotzdem keine schlechte Leistung.«
»Wir können durchfahren, wenn du willst.«
Rogan drehte sich um und sah Brendan mit einem Tau in der
Hand aus dem Unterholz kommen. Er zog einen uralten Kahn hinter sich her, in dem das Wasser zentimeterhoch stand.
»Und wenn der Kahn absäuft?« fragte Rogan grinsend.
Hannah stieg in das Boot. »Dann wirst du auch nicht nasser, als du schon bist.«
Rogan setzte sich neben sie. Dann fuhren sie in eine unheimliche dunkle Welt ein, in der Wasser von den Wänden tropfte, die manchmal zu einer so niedrigen Decke zusammenliefen, daß Rogan den Kopf einziehen mußte. Als er sich nach Brendan umsah, stellte er zu seiner Überraschung fest, daß der Junge auf dem Rücken lag und das Boot vorwärtsbewegte, indem er sich mit den Füßen von der Decke abstieß.
Sie durchquerten eine große Höhle mit gewölbter Decke, die das Echo ihrer Stimmen zurückwarf. Hier stakte Brendan das Boot vorwärts. Dann wurde der Stollen wieder enger, führte durch zwei weitere Höhlen und endete schließlich auf der anderen Seite des Berges auf einem ähnlich angelegten Stausee. Brendan stieg als erster aus, um den Kahn zu vertäuen. Rogan folgte ihm und half Hannah an Land.
Sie gingen durch ein Wäldchen und kamen an mehreren baufälligen Häusern vorbei. Nur ein Stallgebäude hob sich von den anderen Bauten durch sein Wellblechdach und sein neues Holztor ab, das mit einem großen Vorhängeschloß gesichert war.
»Was wird dort aufbewahrt?« fragte Rogan.
Brendan lief voraus, griff unter einen flachen Stein am Tor und holte einen Schlüssel hervor. Er öffnete das Tor.
Dahinter stand ein alter Jeep. Das Originalverdeck war durch einen Aluminiumaufbau ersetzt worden. Der olivgrüne Anstrich war zerkratzt und abgeblättert.
Rogan ließ seinen Rucksack zu Boden gleiten und setzte sich ans Steuer. »Ich habe schon lange keinen Jeep mehr gefahren. Er muß über zwanzig Jahre alt sein.« Als er auf den Anlasserknopf drückte, sprang der Motor sofort an. »Wem gehört der Jeep?«
»Der größte Teil dieses Tals gehört einer Genossenschaft von Schaf Züchtern«, erklärte ihm Hannah. »Sie hat hier ständig einen Jeep oder einen Land-Rover bereitstehen, falls die Hirten ein Fahrzeug brauchen. Früher hatten sie Pferde oder Ponies.«
Rogan stieg aus dem Jeep. Brendan schloß das Tor und legte den Schlüssel an seinen Platz zurück. Vor ihnen sank der Talboden bis zu einer schimmernden Wasserfläche ab.
»Was ist das?« wollte Rogan wissen.
»Rydal Water. Wenn wir etwas hinuntergehen, kannst du die Ausläufer von Grasmere westlich davon sehen.«
Er holte eine Generalkarte dieser Gegend aus der Tasche und breitete sie im Gras aus. »Nehmen wir einmal an, mein Plan wäre fehlgeschlagen und ich wollte nach Marsh-End. Wie käme ich von hier aus dorthin?«
Hannah runzelte die Stirn, während sie die Karte betrachtete. »Es gibt eine alte Straße durch die Berge. Ich habe sie zufällig entdeckt, als Onkel Paddy mir folgen wollte. Vielleicht kann ich sie dir zeigen, wenn wir etwas weiter
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