Der italienische Geliebte (German Edition)
er dann eben sie. « Miss Scott nahm sich eine Zigarette aus ihrem Etui, hielt sie zwischen Zeige- und Mittelfinger und lächelte. »Was halten Sie von meiner Theorie, Miss Nicolson?«
»Manchmal stimmt sie sicher. Aber manchmal ist die Liebe auch gegenseitig. Oder wird es mit der Zeit.«
Miss Scott beugte sich zu dem Mann auf ihrer anderen Seite hinüber und ließ sich Feuer geben. Dann wandte sie sich wieder an Freddie. »Soll ich Ihnen sagen, wer die Leute hier alle sind?«
»Das wäre nett.«
»Ollie Piper und Jane Hedley sind die beiden am Ende des Tischs. Sie heiraten nächste Woche. Hat Jane nicht beneidenswert schönes Haar? Manchmal wünschte ich, ich wäre eine Blondine, aber ich glaube, ich bin nicht nett genug dazu.«
»Sind Blondinen immer nett?«
»Finde ich jedenfalls. Jane und ich sind zusammen zur Schule gegangen. Die Trauung wird wahrscheinlich zum Gähnen, aber das Fest hinterher wird sicher toll. Die Hedleys geben immer fabelhafte Feste. Der Große auf Janes anderer Seite ist Monty Douglas. Herzensgut, aber nicht besonders intelligent. Inzucht, sagt mein Vater. Und das da, neben Monty, ist Denzil Beckford. Seine Eltern haben ein phantastisches Haus in Cornwall. Wir sind früher im Sommer immer hingefahren – der Garten geht bis hinunter ans Meer. Die nächste ist Betty Mulholland, eine ganz Liebe, Monty war jahrelang in sie verliebt. Ich glaube, er ist es immer noch, auch wenn er es bestreitet. Betty und Frances – das ist die Rothaarige – sind Schwestern. Sie gehen beide zur WAAF , zur Women’s Auxiliary Air Force. Das wollten sie schon lange, aber ihre Eltern erlaubten es nicht, aber jetzt fürchten sie, dass Betty und Frances in irgendeine Fabrik geschickt werden, da lassen sie sie lieber als Helferinnen zu den Fliegern gehen. Die beiden haben überhaupt keine Ähnlichkeit miteinander, nicht? Na ja, ihre Mutter hatte jahrelang eine Affäre mit Boy Trevelyan, wer weiß.«
»Und die hübsche Frau im rosa Kleid?«
»Das ist Clare Stuart. Sie finden sie hübsch? Ich nicht. Ich kann Frauen, die dauernd ihr Näschen krausen, nicht ausstehen. Ich habe immer den Verdacht, sie üben das vor dem Spiegel, um niedlich auszusehen.«
Freddie lachte. »Ist das nicht ein wenig hart?«
»Vielleicht, aber ich bin sicher, dass ich recht habe. Also, wen haben wir noch? Lewis –«
»Redest du von mir, Marcelle?«
Ein hochgewachsener Mann in Marineuniform war zu ihnen getreten. Seine Hand lag auf Marcelles Schulter. Er hatte dunkle Locken und eine schmale, gerade Nase, sein Mund und seine hellbraunen Augen waren an den Winkeln leicht nach oben gekrümmt, koboldhaft, fand Freddie.
»Ich tratsche nur ein bisschen«, sagte Marcelle, »und erzähle Miss Nicolson alles über dich.«
»Glauben Sie ihr kein Wort, Miss Nicolson.« Er gab Freddie die Hand. »Ich bin Lewis Coryton. Es freut mich, Sie kennenzulernen.«
Marcelles Augen blitzten. »Ich kenne alle deine Geheimnisse, Lewis.«
»Ich habe keine Geheimnisse«, entgegnete er ungerührt. »Es gibt nichts zu erzählen.«
Marcelle verzog unwillig das Gesicht. »Wenn du langweilig sein willst, tanze ich nicht mit dir.«
»Liebchen, ich verspreche dir, nicht langweilig zu sein.«
Sie stand auf, zauste Lewis Coryton kurz das dunkle Haar und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Ehe sie mit ihm zur Tanzfläche ging, sagte sie noch zu Freddie: »Wo arbeiten Sie, Miss Nicolson?«
»Im Verteidigungsministerium.«
»Ich bin bei der Requirierung – im Ministry of Works . Wir sollten bei Gelegenheit einmal zusammen Mittag essen. Ich schreibe Ihnen.«
Die Kapelle spielte Oh Jonny . Marcelle Scott und Lewis Coryton traten auf die Tanzfläche. Die Gruppe um den Tisch hatte sich gelichtet. Angus saß am anderen Ende, in ein Gespräch mit einem Mann in Uniform vertieft. Freddie versuchte, ihn auf sich aufmerksam zu machen, aber er schaute nicht auf.
»Würden Sie mit mir tanzen, Freddie?«
Sie erkannte Jacks Stimme und drehte sich lächelnd um. »Gern, Jack.«
Sie drängten sich ins Gewühl.
»Wie finden Sie meine Cousine?«, fragte er.
»Miss Scott ist Ihre Cousine?« Sie war überrascht.
»Marcelle und ich sind früher zusammen auf sämtliche Bäume geklettert.«
Freddie konnte sich nicht vorstellen, dass die tadellos elegante Miss Scott auch nur in die Nähe eines Baumes gehen würde. »Sie hat mir erzählt«, sagte sie, »dass Sie des Öfteren mitbringen, was
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