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Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Kampfzone rückte näher. Man lenkte sich mit Beschäftigung ab. Es war ja nicht so, als hätte es nicht genug zu tun gegeben. Bomberformationen, die tief über das Land hinwegflogen, störten das Gleichmaß der Tage und Nächte. Die Wucht der Explosionen erschütterte die Hügel und Täler. Tiefflieger richteten ihre Maschinengewehre auf Straßen und Brücken und fahrende Autos. Rauchwolken stiegen aus einem zerstörten Haus oder einem Flugzeugwrack zum Himmel hinauf. Bisweilen schwebte silbern ein Fallschirm zur Erde.  
    Wenn die Tiefflieger dem Haus zu nahe kamen, jagten sie die Kinder in den Keller. Es waren mittlerweile zwanzig an der Zahl, unter ihnen ein sechs Wochen altes kleines Mädchen, Cara, dessen Mutter im Kindbett gestorben war. Cara hatte die Angewohnheit, beim Trinken einzuschlafen; immer wieder musste Tessa sie sanft schütteln oder an den Füßen kitzeln, um sie wach zu halten.  
    Viele Kinder weinten und schrien, wenn die Bomben in der Nähe des Hauses niedergingen, aber es gab auch andere, die, inzwischen an den Lärm gewöhnt, einfach weiterspielten und kaum einen Blick zum Himmel schickten. Tessa nahm Tommaso stets sofort bei der Hand, wenn sie das tiefe Dröhnen der Bomber hörte. Er sollte nicht davonlaufen und sich in seiner Höhle in der Hecke verkriechen.  
    Im Keller versuchte Tessa, die Kinder abzulenken, indem sie ihnen Geschichten erzählte oder Singspiele mit ihnen machte. Kerzen warfen schwarze Schatten an die Steinwände des kühlen Raums, der nur hoch oben ein schmales vergittertes Fenster hatte. Eines Tages, als Tessa vorlas, merkte sie, wie jemand seinen Kopf in ihren Schoß grub, und sah, dass es Tommaso war. Ein kleines Wunder, dachte sie, während sie seinen Lockenkopf streichelte.  
    5. Juni, der Tag nach der Übernahme Roms durch die Alliierten.  
    Faustina fand ihn. Aber sie erkannte ihn nicht gleich. Es war dämmrig, Fledermäuse schossen um die Dächer, und Faustina wollte gerade aus der Krankenstation nach Hause gehen, als an die Tür geklopft wurde. Sie öffnete und hörte jemanden weglaufen. Zwei Männer verschwanden um die Straßenecke. Dann erst bemerkte sie einen dritten Mann, der zusammengekrümmt am staubigen Straßenrand gegenüber dem Haus lag. Sie hörte sein panisches Röcheln, als sie zu ihm hinüberging.  
    »Es ist alles gut«, sagte sie besänftigend. »Sie sind jetzt in Sicherheit. Versuchen Sie, langsam und regelmäßig zu atmen. So ist es gut, ein und aus, langsam, ja, so ist es gut.«  
    Sie strich ihm das verfilzte schwarze Haar aus dem Gesicht und erschrak. »Guido«, sagte sie. »O Gott, Guido.«  
    Sie trugen ihn in die Krankenstation und schnitten ihm die Kleider vom Leib. Er hatte eine Schusswunde in der Schulter, und Faustina vermutete, dass er zudem an einer Lungenentzündung erkrankt war.  
    Stefano, der Verwalter, wurde losgeschickt, Dr. Berardi zu holen. Während sie auf die Ankunft des Arztes warteten, entfernte Faustina den provisorischen Verband von Guidos Schulter und sprach dabei mit ihrem Bruder. »Das ist ja wieder mal typisch für dich, Guido, einfach zu verschwinden, ohne einem Menschen etwas zu sagen. Mutter hatte Angst um dich, aber ich wusste, dass du unweigerlich wieder auftauchen würdest. Und natürlich musste es ein großer Auftritt sein – gerade, als ich endlich in Ruhe abendessen wollte.« Der Anflug eines Lächelns war auf Guidos schmerzverzerrtem Gesicht zu erkennen.  
    Dr. Berardi entfernte die Kugel aus Guidos Schulter und nähte die Wunde. Faustinas Diagnose einer Lungenentzündung bestätigte sich. Der Arzt nahm Faustina und Olivia auf die Seite. Wenn Guido überleben solle, werde er viele Wochen lang intensive Pflege brauchen. Er müsse Stille und Ruhe haben, um langsam wieder zu Kräften zu kommen.  
    An diesem ersten Abend versorgten sie Guido in der Krankenstation. Am nächsten Morgen trugen Stefano und einer der anderen Männer ihn in aller Frühe in Decken gehüllt zum Fuhrwerk hinaus, wo sie ihn vorsichtig niederlegten. Olivia küsste ihn zum Abschied, dann fuhr Stefano mit Guido, Faustina und Tessa auf der Straße davon, weg vom Herrenhaus.  
    Der Plan, den die drei Frauen am Abend zuvor besprochen hatten, sah vor, Guido in das entlegenste Haus auf dem Gut zu bringen. Sie würden ihn dort abwechselnd pflegen, jede immer zwei, drei Tage hintereinander. Das kleine aus Stein erbaute Bauernhaus – zwei Räume und ein Speicher für Holz und Werkzeuge – stand seit vielen Jahren leer, doch es war

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