Der italienische Geliebte (German Edition)
verabschieden, als er plötzlich sagte: »Ehrlich gesagt habe ich in den letzten fünf Jahren nichts mehr veröffentlicht. Ein paar Aufsätze, Besprechungen, einige Kurzgeschichten, aber nichts Richtiges. Keinen Roman.«
Er wirkte niedergeschlagen. Und müde. »Komm, ich hole dir noch einen Whisky«, sagte sie.
»Nein, lieber nur ein Soda.« Als er die Hand hob, um dem Kellner zu winken, fügte er schnell hinzu: »Ich habe ein bisschen mit der Leber zu tun. Zu Hause lässt Mona mich überhaupt keinen Alkohol trinken. Sie selbst trinkt auch nicht – vor der Ehe war das anders, aber seit die Kinder da sind, rührt sie Alkohol nicht mehr an. Sie meint, es wäre ein schlechtes Vorbild. Wir haben auch nie etwas Alkoholisches im Haus.«
»Tut mir wirklich leid, dass du nicht auf dem Posten bist, Milo.«
»Ich war zwei Wochen im Krankenhaus.« Er runzelte die Stirn. »Ich war noch nie vorher krank. Das hat mich ganz schön erschüttert. Ich soll abnehmen. Mona passt genau auf, was ich esse.« Er zog eine Packung Zigaretten heraus. »Sie mag es auch nicht, wenn ich rauche. Aber am College rauche ich immer noch.«
Er hielt Rebecca die Packung hin. Sie nahm eine Zigarette. »Danke.«
»Ich habe mich oft gefragt«, sagte er, nachdem er ihre Zigaretten angezündet hatte, »ob diese Schreibblockade daher kommt.«
»Weil du Alkohol und Zigaretten aufgegeben hast?«
Er lächelte. »Das auch. Aber eigentlich meinte ich das hier alles.« Er ließ den Blick durch den Raum schweifen. »Vielleicht könnte ich schreiben, wenn ich nach England zurückginge.«
»Wäre Mona damit einverstanden?«
»Niemals. Ihre ganze Familie lebt in Boston. Ihre Eltern, ihre Geschwister.«
»Ach Milo«, sagte sie.
»Ich weiß.« Er seufzte. »Ich kann nicht über Amerika schreiben, weil ich es nicht gut genug kenne, und ich kann nicht über England schreiben, weil ich es nicht mehr kenne.«
»Dann schreib doch über etwas anderes. Schreib über Familien.«
»Ich glaube nicht –«
»Ich weiß, du wolltest von Familienleben nie etwas wissen, aber genützt hat dir das ja offensichtlich nichts«, sagte sie ein wenig bissig. »Oder schreib über die Liebe, Milo. Du hast doch bestimmt einiges über die Liebe gelernt.«
Er schwieg einen Moment und blies durch die Nase zwei Rauchströme in die Luft. »Ich könnte über Reue und Bedauern schreiben«, sagte er.
Ich auch, dachte Rebecca. Sie sagte nichts.
Milo schaute in sein Glas. »Manchmal denke ich an Tessa«, sagte er. »Ich kann mich nicht mehr richtig erinnern, wie sie aussah. Ich sage mir, blonde Haare, groß und schlank und dieses umwerfende Lächeln. Aber sehen kann ich sie nicht.«
»War Tessa deine große Liebe, Milo?« Es gelang ihr, es ohne Bitterkeit zu fragen.
»Ich weiß es nicht. Ich glaube, für solche Dinge fehlt mir ein wenig das Gespür.« Er sah Rebecca an. »Es tut mir leid, dass ich ihr wehgetan habe. Und es tut mir leid, dass ich dir wehgetan habe. Ich bedaure, dass ich damals nicht begreifen konnte, worauf es wirklich ankommt. Man ist mit irgendetwas unzufrieden und man ändert es, aber das, was man bekommt, ist nicht unbedingt besser als das, was man vorher hatte. Es tut mir in der Seele leid, was mit Tessa und dem Kind passiert ist. Manchmal fühle ich mich dafür verantwortlich.«
Wie leicht konnte sie es jetzt aussprechen, konnte ihm sagen, was damals wirklich geschehen war. Ich habe Tessa Nicolson angerufen und behauptet, du hättest eine andere. Deshalb war sie an dem Nachmittag auf der Straße nach Oxford, wegen meines Anrufs. Würde es sie befreien?
Sie wollte gerade sprechen, als hinter ihr jemand laut rief: »Milo Rycroft! Ist denn das die Möglichkeit? Milo Rycroft.«
Rebecca, die sich umgedreht hatte, sah einen hochgewachsenen grauhaarigen Mann mit Pferdegebiss auf ihren Tisch zukommen.
Milos Miene veränderte sich schlagartig. Die Trauer und Niedergeschlagenheit fielen von ihm ab, und sie erkannte ihren alten Milo wieder: aufgeplustert, unbekümmert, hingerissen von der eigenen Witzigkeit – der gut aussehende, berühmte Milo Rycroft.
»Godfrey!«, rief Milo und stand mit ausgebreiteten Händen auf. »Rebecca, du erinnerst dich bestimmt an Godfrey Warburton. Wie geht es Ihnen, Godfrey?«
»Sehr gut, alter Junge, sehr gut. Und Ihnen? Halten Sie immer noch die Yankees mit Ihrer literarischen Brillanz in Atem?«
»Na ja«, sagte Milo bescheiden und schien im selben
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