Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
Vom Netzwerk:
ich wollte zu Roger. Ich wollte nicht, dass du dir Gedanken darüber machst, was ich in London zu tun habe. Dass es so ankommen könnte, ist mir nicht in den Sinn gekommen. Also, mach es auf.«  
    Rebecca riss das Seidenpapier auf und klappte den Deckel des weißen Lederkästchens hoch. »Oh.« Sie drückte die Hände auf den Mund. »O Gott, das ist ja furchtbar.«  
    In dem Kästchen lag ein Paar Rubinohrringe in Tropfenform, das er in einem Schmuckgeschäft in Hatton Garden gekauft hatte. »Gefallen sie dir?«, fragte er.  
    »Sie sind wunderschön. Aber ich fühle mich scheußlich. Es tut mir so leid.« Sie weinte wieder. »Verzeih mir, Milo.«  
    »Vergiss es«, sagte er großherzig. »Lass uns einfach nicht mehr darüber reden.«  
    Milo, der Edelmütige, der Generöse. Er tätschelte ihren Rücken, während sie weinte. Er konnte seinen Selbstekel beinahe schmecken, aber was hätte er denn anderes tun können?  
    Später, nachdem sie zu Abend gegessen hatten, nachdem sie zu Bett gegangen waren und sich geliebt hatten, nachdem sie eingeschlafen war, ging er leise in sein Arbeitszimmer, um in der Konzentration des Schreibens Ruhe zu suchen.  
    Aber er konnte nicht arbeiten. Er musste unablässig an das Kind denken. Schließlich legte er den Stift aus der Hand und blickte zum Fenster hinaus in die Dunkelheit. Mein Gott, ein Kind. Ungewollt kam ihm der Gedanke in den Kopf, dass ja noch etwas passieren könnte, aber er verscheuchte ihn schnell, von böser Ahnung erfasst und entsetzt über die Ungeheuerlichkeit zu hoffen, es könnte irgendwie kein Kind geben.  

4
     
    Außenaufnahmen an einem Kieselstrand der Küste von Suffolk: Max Fischer kämpfte mit dem Wind, während er für Harper’s Bazaar die neuen Frühjahrsmodelle fotografierte. Als er später Fotoapparat und Stativ zusammenpackte, sagte er: »Du könntest mich heiraten, Tessa, wenn das eine Hilfe wäre. Eine Ehe mit einem einundvierzigjährigen jüdischen Flüchtling mag nicht das sein, was du dir erträumt hast, aber mich würde es sehr glücklich machen.«  
    Tessa hatte niemandem außer Milo und Freddie gesagt, dass sie schwanger war. Sie hatte sich eingebildet, alle gekonnt zu täuschen. Als sie das zu Max sagte, schüttelte er den Kopf. »Ach, Tessa, alle Welt weiß Bescheid. Hast du das nicht gemerkt?« Sie schaffte es, sein Hilfsangebot mit Grazie abzulehnen, aber sie hatte Mühe, nicht zu zeigen, wie gedemütigt sie sich fühlte.  
    Nicht lange danach begann sie, dick und dicker zu werden. Max setzte alle möglichen Mittel ein – Mäntel und Capes, eine geschickt platzierte Topfpflanze –, um dennoch weiter mit ihr arbeiten zu können, aber ihr war schnell klar, dass sie in der verbleibenden Zeit allenfalls noch auf die gelegentliche Porträtaufnahme hoffen konnte. Und schön war die Schwangerschaft nicht: Sodbrennen, Erschöpfung, Rückenschmerzen und schwere Beine. Wenn man bedachte, wie viele Frauen Kinder bekamen, hätte man meinen sollen, das Ganze sei eine Kleinigkeit, aber so war es nicht.  
    Einige ihrer Freundinnen litten mit ihr; einige erzählten ihr Geschichten von verpfuschten Abtreibungen. Ein oder zwei bewunderten sie, weil sie in ihr eine Frau sahen, die für ihre Überzeugung eintrat und sich der Konvention verweigerte. Andere – die Sprechstundenhilfe ihres Arztes und die Leiterin der Damenmodenabteilung bei Selfridges – versuchten gar nicht erst, ihre moralische Entrüstung zu verbergen.  
    Sie merkte, dass sie in gewissen Kreisen nicht mehr willkommen war. Ihre Anrufe wurden nicht erwidert, ihre Briefe nicht beantwortet, ihre Einladungen dankend abgelehnt. Als sie eines Morgens die Regent Street hinunterging, begegnete sie einer Bekannten, einer Gastgeberin der Londoner Gesellschaft, und wünschte ihr lächelnd Guten Tag. Nur eine kurze Verhärtung im Blick der Frau verriet Tessa, dass sie nicht plötzlich unsichtbar geworden war. Sie wiederholte ihren Gruß. Die Frau blieb stehen. Ihre schmalen Lippen verzogen sich zu einem kalten Lächeln, als sie mit gesenkter Stimme sagte: »Sie werden verstehen, dass ich auf Ihre Bekanntschaft keinen Wert mehr lege, Miss Nicolson. Ersparen Sie also sich und mir in Zukunft diese Peinlichkeiten.« Obwohl sich Tessa später über den Vorfall mokierte, war sie getroffen, vielleicht weniger durch die Ausgrenzung an sich als die Erkenntnis, dass es sie nicht gleichgültig ließ. Von diesen Leuten war sie vermutlich immer nur unter der Bedingung des Wohlverhaltens akzeptiert

Weitere Kostenlose Bücher