Der italienische Geliebte (German Edition)
aus, sagte sie sich. Nimm ein Taxi und fahr zu Antonios Verlobungsfeier. Oder ruf jemanden an.
Stattdessen ging sie ins Schlafzimmer und kleidete sich aus. Ihr nackter Bauch hatte die ebenmäßig glockenförmige Schwellung einer reifen Birne. Sie setzte sich auf die Bettkante, bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und drückte die Finger fest auf die Augen, um die Tränen zurückzudrängen. Die Liebe dauerte, so lange sie eben dauerte, aber diese Beziehung konnte sie nicht einfach hinter sich lassen. Durch sein Kind würde Milo Rycroft immer ein Teil von ihr bleiben. Ach Tessa, dachte sie müde, was hast du getan?
Die Wehen begannen frühmorgens am siebenundzwanzigsten Dezember. Freddie, die noch Schulferien hatte, fuhr mit Tessa im Taxi zur Klinik in Bayswater. Danach wusste sie nicht recht, was sie mit sich anfangen sollte, und nahm schließlich kurzerhand die Untergrundbahn nach South Kensington, wo Julian Lawrence wohnte. Als er auf ihr Läuten öffnete, sagte sie: »Ich habe Tessa eben in die Klinik gebracht.«
»Oh. Und wie lang wird es dauern, was meinst du?«
»In der Klinik haben sie gesagt, wahrscheinlich nicht vor morgen früh.«
»O Gott.«
»Ich durfte nicht bei ihr bleiben. Es ist richtig gruslig dort, und die Schwestern sind die reinsten Drachen. Ich komme mir so überflüssig vor. Ich wollte, ich könnte etwas tun.«
»Wenn ich helfen kann…«
»Ja, du könntest mit mir frühstücken gehen. Wir haben vor der Abfahrt gar nichts mehr gegessen, weil Tessa so schlecht war.«
Julian rannte nach oben, um Jackett und Brieftasche zu holen. Dann gingen sie zu Fuß die Pembroke Road hinunter zur Earl’s Court Road. Es war bitterkalt und dünner Schnee sprenkelte Ligusterhecken und rußige Hausmauern.
In dem Café tranken Arbeiter in blauen Monteuranzügen Tee aus schweren Henkelbechern und aßen dicke Brote dazu. Julian fragte Freddie, was sie haben wolle.
»Toast am liebsten.« Ihr war selbst ein bisschen übel bei dem Gedanken an Tessa, ganz allein in dieser grässlichen Klinik.
»Kopf hoch, Kleine«, sagte Julian, als er mit zwei Bechern Tee zurückkam.
»Ich versuche krampfhaft, nicht an die Geburtsszenen zu denken, die ich in Büchern gelesen habe. Du weißt schon, wie in David Copperfield , als die Mutter gestorben ist.«
»Tessa ist keine matte viktorianische Heldin. Sie wird das ganz prima machen.«
»In der Klinik haben sie dauernd Mrs. Nicolson zu ihr gesagt, als würde es dadurch schicklicher. Sollte ich eigentlich jemanden anrufen? Oder soll ich damit warten, bis das Baby da ist?«
»Was ist mit dem Vater?« Julian rührte Zucker in seinen Tee. »Solltest du den nicht anrufen?«
»Würde ich ja gern tun, aber Tessa hat mir bis heute nicht gesagt, wer es ist. Obwohl ich ihr Löcher in den Bauch gefragt habe.« Freddie sah Julian direkt in die Augen. Er hatte schöne Augen, mit langen Wimpern und so dunkel wie ihre eigenen. »Es ist wohl nicht zufällig dein Kind?«
Er schüttelte den Kopf.
»Unmöglich. Tessa hat vor über einem Jahr mit mir Schluss gemacht.«
»Du bist der Einzige, den ich bisher direkt gefragt habe. Schon ein bisschen dreist, nicht, aber ich dachte mir, dass du es nicht übel nehmen würdest.«
»Nein, tu ich auch nicht. Ich vermute, es ist Max Fischer, dieser schäbige Kerl.«
Sie fragte neugierig: »Was hast du gegen Max?«
Julian machte ein finsteres Gesicht. »Wahrscheinlich, dass er Tessa lieber ist als ich, und ich nicht verstehe, warum. Max ist älter als ich, hat weniger Geld und sieht, finde ich, lange nicht so gut aus wie ich. Aber inzwischen habe ich es verschmerzt.«
Trotz des halb scherzhaften Tons glaubte Freddie ihm nicht. »Du siehst fabelhaft aus, Julian«, sagte sie tröstend. »Wirklich. Ich war selbst drauf und dran, mich in dich zu verlieben, aber dann habe ich es doch lieber gelassen.«
»Warum?«
»Bei mir in der Schule ist ein Mädchen, die sich in einen Jungen zu Hause verknallt hat und den ganzen Tag nur von ihm redet. Du kannst dir nicht vorstellen, wie öde das ist.«
Er lachte. »Warte, bis es dir selber passiert, Freddie.«
Das Mädchen an der Theke rief ihnen zu, ihr Frühstück sei fertig, und Julian ging die Teller holen. Als er Freddie ihren Toast hinstellte, sagte er: »Es könnte auch Paddy Collison sein. Sie waren ungefähr zur richtigen Zeit zusammen.«
»Na, hoffentlich nicht. Habe ich dir erzählt, dass er mal versucht hat,
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