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Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Tessa keine Träne, sagte kein Wort. Bei Freddies nächstem Besuch weinte und weinte sie, bis eine Schwester kam und ihr eine Spritze gab. Am Tag danach lag sie apathisch in ihrem Bett, das Gesicht so weiß wie der Kissenbezug, während die Blutergüsse um ihre Augen sich langsam scharlachrot und gelblich färbten. Sie stellte Fragen. Auf jede Antwort folgte langes Schweigen, während Tessa zu begreifen versuchte, was Freddie ihr gesagt hatte. Manchmal fragte sie zweimal dasselbe.  
    Die Beerdigung fand neun Tage nach dem Unfall in der Christ Church in Highbury statt. Vor der Feier versammelten sich die Trauergäste vor der Kirche. Neben Tessas Kolleginnen aus der Modewelt, alle in schicken schwarzen Kostümen und Schleierhüten, kamen Geschäftsleute aus Soho, Angehörige der italienischen Gemeinde, die dort Delikatessenläden und Eisdielen betrieben, Musiker, Maler und Schriftsteller und Tessas Society-Freunde aus Mayfair und Belgravia. So viele Menschen. Freddie schüttelte Hände, sagte Guten Morgen und danke, dass Sie gekommen sind. Und sie merkte sich jeden; sie hatte ein gutes Gedächtnis.  
    Eine große dunkelhaarige Frau stellte sich ihr als Rebecca Rycroft vor.  
    »Mein Mann ist leider verhindert«, sagte sie. »Es geht ihm nicht gut. Er bittet Sie, ihn zu entschuldigen, und lässt Ihnen sagen, dass er mit Ihnen fühlt. Ich bin hergekommen –«, sie schien nach den richtigen Worten zu suchen, »um ihn zu vertreten. Ich hoffe, es ist Ihnen recht.«  
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte Freddie. »Ich danke Ihnen. Tessa wird sicher berührt sein.«  
    Was eine Lüge war: Tessa würde nicht berührt sein, weil Tessa überhaupt nichts mehr berührte. Tessa lag in ihrem Krankenhausbett, sprach kaum, tat, was ihr gesagt wurde. Tessa war nur noch ein trauriger Schatten ihrer selbst, eine Frau, die ein wenig aussah wie die frühere Tessa, aber eine ganz andere geworden war.  
    Mrs. Rycroft erkundigte sich nach Tessa, und Freddie wiederholte, was sie an diesem Morgen schon so oft gesagt hatte.  
    »Die Ärzte sagen, dass es ihr langsam besser geht.«  
    »Sie bemerkten am Telefon, dass Ihre Schwester im Radcliffe-Krankenhaus liegt. Aber ich dachte, sie lebt in London.«  
    »Der Unfall war auf der Straße nach Oxford«, erklärte Freddie. »Das Radcliffe war das nächstgelegene Krankenhaus. Ich weiß nicht, warum Tessa nach Oxford fahren wollte. Vielleicht wollte sie mich besuchen, aber sie hatte mir nichts davon gesagt, und montags besucht sie mich eigentlich nie. Aber so ist sie. Sehr spontan.«  
    »Kann sie sich denn nicht erinnern?«  
    »Nein, an gar nichts. Sie hat eine Kopfverletzung. Und es spielt ja auch keine Rolle, warum sie nun gerade dort war. Vielleicht ist es gut, dass sie sich an nichts erinnern kann.«  
    Der Gedanke, Tessa könnte sich an ihre letzte Fahrt mit Angelo erinnern, war grauenvoll.  
    Mrs. Rycroft schien erregt. Sie ruderte mit den Händen, als wollte sie Wörter aus der kalten Luft greifen. Schließlich sagte sie: »Kann ich irgendetwas tun?«  
    »Nein, danke, wirklich nicht. Nach der Beerdigung haben wir ein kleines Mittagessen in Tessas Wohnung geplant. Sie sind herzlich willkommen.«  
    »Nein, vielen Dank, das ist nett von Ihnen, aber ich kann leider nicht.« Mrs. Rycroft drückte die Lippen zusammen. »Das arme kleine Kind. Es tut mir so unendlich leid.« Dann wandte sie sich ab, und verschwand in ihrem schwarzen Mantel unter den Trauergästen.  
    Langsam gingen sie in die Kirche hinein: Max, Paddy Collison, Antonio, Julian Lawrence. Tessas französischer Liebhaber André war am Abend zuvor aus Paris gekommen. So viele Männer, dachte Freddie. Und wer von euch ist Angelos Vater?  
    Wenn du verheiratet bist, schwor sie sich im Stillen, als sie an Rays Arm die Kirche betrat, werde ich deiner Frau alles erzählen. Wenn dir dein Ruf wichtig ist, werde ich ihn vernichten. Wenn heute noch andere zu dir aufschauen, werde ich dafür sorgen, dass sie es bald nicht mehr tun. Blind vor Zorn stolperte sie und wäre gefallen, hätte Ray sie nicht gehalten.  

Teil 2
     
    Rebeccas Engel  
    1938 – 1939  

6
     
    Drei Monate später verließ Rebecca ihren Mann . An einem frühen Morgen im Juli, während er noch schlief, rief sie Meriel in der Westdown-Schule an und erklärte ihr, dass sie eine Unterkunft brauchte. Meriel, die gute Meriel, sagte sofort: »Ja, natürlich. Am besten kommst du zwischen halb zwei und zwei, da habe ich frei. Komm direkt in die

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