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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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losbinden?«
    »Ja. Gehen wir in dein Haus! Es ist noch viel zu bereden mit einem Mann, der von nun an Maos Lehren lehrt.«
    Huang ging zu Tifei hinüber, band ihn los, und da ihn nur der Strick aufrecht gehalten hatte, sank er jetzt in die Arme seines Vaters und ließ sich von ihm wegschleppen zum Haus. Dort fiel er auf Huangs Bett, das neben der Eingangstür stand, am Ehrenplatz für das Oberhaupt der Familie.
    Huang Yuan, der Großvater, dem eigentlich dieser Vorzug zustand, hatte, nachdem Tifei geboren worden war, gesagt: »Mein Sohn, nun hast du eine Familie, und klüger als ich bist du auch; du bist jetzt der Vorstand der Familie, lege dich in mein Bett und zeuge mit Jinvan noch viele Kinder.« Aber dazu kam es nicht; nur Lida wurde noch geboren nach drei Fehlgeburten. Die erste geschah, weil beim Pflügen des Kohlfeldes ein Wasserbüffel Jinvan in den hohen Leib trat, die zweite war die Folge eines Sturzes die Treppe hinunter, als ein langer Regen Steine und Lehm glatt wie Eis werden ließ, und die dritte kam einfach so, ohne eine Einwirkung, es blutete weg, und niemand wußte, warum. Neun Jahre später, als Huang sich damit abgefunden hatte, seine Frau Jinvan sei durch die drei Fehlgeburten unfruchtbar geworden, kam Lida zur Welt. Es war ein Ereignis, bei dem Huang zum ersten Mal Tränen in die Augen traten.
    Im großen Wohnraum saß Jinvan verängstigt und in sich zusammengekauert neben der zerstörten Feuerstelle. Ein heftiges Zittern lief über ihren Körper, als sie Chang sah und ihren Mann mit dem von Tinte getränkten Kopf und dem Blut auf Schultern und Rücken. Sie hatte, nachdem die Rotgardisten sie verlassen hatten, die zerfetzte Kleidung gegen andere ausgetauscht; ihr Schoß brannte, und über die Brüste hatte sie einen nassen Lappen gelegt. Ihr Blick wanderte von Huang zu Tifei, der auf dem Bett lag und leise stöhnte.
    Chang sah sich um, als suche er etwas. »Wo ist das Mädchen?« fragte er.
    Jinvan kroch noch mehr in sich zusammen. »Sie ist weggelaufen«, sagte sie demütig und senkte den Kopf. »Verschont sie, Herr. Sechs Jahre ist sie erst, bitte …«
    Chang war wieder in der Lage, sich beleidigt zu fühlen. »Sehe ich wie ein Kinderschänder aus?« schrie er wütend. »Steh auf, Weib, und suche deine Tochter!« Und zu Huang gewandt ergänzte er: »Daß ich dich nicht erschossen habe, hast du ihr zu verdanken. Ich will sie sehen!«
    Jinvan nickte gehorsam, stand auf und rannte aus dem Haus. Dabei fiel der nasse Lappen von ihren Brüsten, Huang fast vor die Füße.
    Er sah den Lappen an, bemerkte die Blutflecken und preßte die Lippen zusammen. Aber er sagte nichts, nur unbändiger Haß erfüllte sein Herz, ein Haß auf Mao und seine Handlanger, ein Haß, in den er sich von heute an hineinrollte wie in eine Decke aus dicker Ziegenwolle. »Darf ich Ihnen Tee anbieten, Genosse Kommissar?« fragte er und rang sich dabei jedes Wort ab. »Wir haben unseren eigenen Tee, wir ziehen ihn selbst auf einer Bergterrasse, einen würzigen grünen Tee, ganz anders im Geschmack als sonst ein Bauerntee.«
    »Du darfst ihn mir anbieten, Huang.« Chang setzte sich auf die Tischkante, genau auf die Stelle, wo seine Rotgardisten Jinvan gequält und geschändet hatten, und ließ die Beine in der Luft baumeln. Huang schraubte die große Thermoskanne auf, streute Tee in eine hohe Deckeltasse aus bemaltem Porzellan und goß das heiße Wasser hinein.
    Wenn ich jetzt Gift hätte, ich täte es hinzu, dachte er und wühlte in seinem Haß. Er würde es nicht spüren, es ist eben der Geschmack meines selbstgezogenen Tees, würde ich sagen.
    Chang nahm die Tasse, schlürfte den grünen Tee und fand ihn gut. Einen Hauch von Mandarinen verspürte er auf seiner Zunge und ein anderes blumiges Aroma, das er nicht benennen konnte. Auf jeden Fall war es kein gewöhnlicher Bauerntee, der nur aussah wie gefärbtes Wasser und nach Stroh schmeckte.
    Jinvan fand Lida im Stall, unter einem Haufen Reisstroh. Sie lag dort unbeweglich und hatte zweimal eine Durchsuchung der Rotgardisten überstanden, die jeden Winkel durchstöberten, doch an dem Strohhaufen vorbeigingen. Nur einer hatte mit seinem Bajonett in das Stroh gestochen, mehr aus Übermut als aus Verdacht; knapp zehn Zentimeter neben Lida bohrte sich der spitze Stahl in den festgestampften Lehmboden. Nun hörte sie wieder die Tür klappen und lag ganz still in ihrem Versteck.
    Die Stimme der Mutter, die plötzlich zu ihr drang, veranlaßte sie nicht, sich zu verraten. Wenn sie

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