Der Jade-Pavillon
Spinnen oder Wanzen. Mein Bett ist Ihr Bett.«
»Und wo schlafen Sie dann?« fragte Jian.
»In der kleinen Nebenkammer, in der sonst Lida schläft.«
»Und Lida?«
»Im Stall«, sagte Jinvan.
Und Chang ergänzte: »Bei ihrem Büffel. Dort ist es so sauber wie hier. Jeden Tag wird neues Reisstroh gestreut.«
Jian zögerte, zumal Lida am Herd kein Wort dazu sagte, ihm den Rücken zudrehte und mit den Töpfen und Pfannen herumwerkelte, was gar nicht nötig war. »Ich überlege es mir«, sagte er und erhob sich von dem niedrigen Hocker am Tisch. »Ich gehe noch etwas ins Freie. Es ist eine schöne, warme Nacht. Ich liebe diese Nächte, sie zaubern Poesie in die Gedanken.«
Er verließ das Haus, und Huang wartete aus Anstand zwei Minuten, damit Jian ihn nicht hören konnte. »Ein guterzogener Mann«, sagte er. »Und gar nicht eingebildet.«
»Ich wette, daß er bleibt«, kicherte Chang. »Mein Gesicht und mein Husten reizen ihn.« Und nicht nur sie, dachte er dabei. Die Blindheit der Väter von Töchtern wird immer ein Rätsel bleiben. Jinvan, man sieht es an ihren Augen, hat es längst begriffen.
Huang hatte indessen eine Frage. »Warum hast du vorhin von einer Räuberbande erzählt?« meinte er zu seiner Frau. »Sie gibt es doch gar nicht. Nie ist hier jemand überfallen worden. Und du, Chang, hast sie mit der Lüge von der Polizei unterstützt. Warum wolltet ihr Jian Angst machen?«
»Damit er bleibt … damit er einen Grund hat zu sagen: ›Ich nehme Ihr Bett an, Herr Huang.‹« Chang blinzelte listig. »Schließlich geht es um meinen Husten und das Blut, das ich ab und zu spucke. Wir werden nie wieder einen Arzt bekommen, der mich umsonst behandelt. Das muß man nutzen, Huang Keli.«
»Ich gehe in den Stall.« Lida putzte sich die Hände an einem Lappen ab. »Es ist schon spät. Ich muß morgen früh das obere Kohlfeld umpflügen.«
»Willst du nicht zusehen, wie Jian mich untersucht?« fragte Chang hinterhältig.
»Nein.« Mit einer Kopfbewegung warf sie die Haare über die Schultern. »Es ist verlorene Zeit, zuzusehen und nichts zu tun.«
Sie verließ das Zimmer durch die Hintertür und ging zum Stall hinüber, wo der Büffel ungewohnt muhte, als mißfalle ihm etwas. Auch hier brannte nur eine schwache Glühbirne.
An der Stalltür blieb Lida ruckartig stehen und verstand, warum der Büffel so unruhig war. Jian saß auf einer umgestürzten Kiste und erhob sich sofort, als er Lida eintreten sah.
»Was machst du hier?« fragte sie, strenger und lauter, als sie es wollte. »Ich dachte, du wolltest aus der schönen Nacht Poesie ziehen.«
»Ein altes Märchen ist mir eingefallen – willst du es hören?«
»Wenn es nicht zu lang ist. Ich will schlafen.«
»Es ist schon lange her«, begann Jian, »da kannte man auf dem Land zwar einen Kamm, aber noch keinen Spiegel. Den kannten nur die Reichen und betrachteten sich darin mehrmals am Tag. Da geschah es, daß einer armen Bauersfrau der hölzerne Kamm zerbrach, und sie sagte zu ihrem Mann: ›Du mußt bald wieder einmal in die Stadt fahren und die Essigpilze verkaufen. Bring mir einen schönen, großen, festen Holzkamm mit, der nicht so leicht zerbricht. Vergiß es nicht!‹ Aber da sie ihren Mann kannte und wußte, wie vergeßlich er war, zog sie ihn vors Haus und zeigte auf den Mond, der wie eine Sichel gebogen war, und sie sagte: ›Vergiß nicht den Kamm! Gebogen und fest muß er sein, wie dort der Mond.‹ Nun kam der Tag, an dem der Bauer mit seinem Fäßchen voller Essigpilze in die Stadt fuhr, und es war Vollmond, und auf dem Markt erinnerte sich der Bauer, daß er seiner Frau etwas mitbringen sollte, was ihrer Schönheit diente. Aber was? Er grübelte und grübelte, und dabei fiel ihm ein, daß sie gesagt hatte, es müsse so sein wie der Mond. Also sah er zum Himmel empor, erblickte den Vollmond und suchte an allen Ständen, bis er einen Spiegel fand, rund wie der Mond über ihm. Fast sein ganzes Geld gab der Bauer dafür aus, aber ihm war es seine Frau wert, und stolz kehrte er in sein Dorf zurück und überreichte ihr das Geschenk. ›Schön wie der Mond‹, sagte er dabei. ›Es wird dir gefallen.‹ Die Frau wickelte den Spiegel aus. Noch nie hatte sie so etwas gesehen, und als sie plötzlich ein Gesicht auf der runden, glatten Fläche sah, erschrak sie, rannte aus dem Haus, floh weinend zu ihrer Mutter und klagte: ›Mein Mann hat sich eine Nebenfrau genommen! Was soll ich tun?‹ – ›Zeig her‹, sagte die Mutter und blickte in den
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