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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die die Erde verändert.«
    »Ich dachte, du hättest als Mediziner gelernt, scharf zu denken.« Zhang goß aus der großen Thermoskanne neues heißes Wasser über die grünen Teeblätter, die er in seine Tasse streute. »Ich wundere mich über dich.«
    »Mein Denken war noch nie so klar und logisch wie jetzt.«
    »Weil du im Kreis denkst, Jian, weil du nur dich siehst und das Mädchen und immer wieder zu dir zurückkehrst. Aber die Welt besteht nicht nur aus einem Tong Jian.«
    »Was meinst du damit, Onkel Zhang?«
    Der Dichter und Maler nippte an seiner heißen Tasse und sah über den Tassenrand Jian nachdenklich und, wie es schien, sogar voll Mitleid an. »Das Mädchen ist eine Miao?« fragte er, und in seiner Stimme klang ein Bedauern mit.
    »Ja. Lida ist eine Miao.«
    »Du bist ein Han-Chinese, Jian. Seit Jahrhunderten sind die Tongs Han-Chinesen, und nie hat es das gegeben, daß in die Familie jemand hineinkam, der kein Han war.«
    »Das ist doch überholt, Onkel Zhang!« rief Jian, aber gleichzeitig erkannte er, daß seine Liebe zu Lida ein Kampf werden würde. »Wir sind moderne Menschen.«
    »Aber die Tradition ist der Nährboden, auf dem alles wächst. Eine Miao in der Tong-Familie – was ist dagegen ein Erdbeben?«
    »Es gibt keine Miaos, Bais, Yis, Huis, Tujlas, Naxis, und wie sie alle heißen. Es gibt nur Menschen. Und ich liebe einen Menschen und keine Miao.«
    »Erkläre das deinem Vater, Jian.«
    »Er wird mich verstehen.«
    »Er wird dich nie verstehen.«
    »Für ihn sollten alle Menschen Brüder und Schwestern sein – er ist doch ein Kommunist.«
    »Das ist nicht ganz richtig, Jian. Zuerst ist gerade er ein Han-Chinese, dann ein Hüter der Tradition, dann ein Arzt, dann das Oberhaupt der Familie und erst am Schluß ein Kommunist.«
    »Fengxia wird auf meiner Seite sein.«
    »Irre dich nicht in der Hoffnung auf deine Schwester. Sie ist eine Han, und auch ihr Mann Wu ist ein Han, und mögen sie als Funktionäre noch so moderne Reden halten, in der eigenen Familie darf es nur Hans geben.« Zhang lehnte sich auf der aus Rosenholz geschnitzten Bank, auf der er saß, zurück und strich sich über den dünnsträhnigen Bart. »Nimmst du einen Rat an, Jian?«
    »Jeden, Onkel Zhang, nur nicht den, Lida zu vergessen. Ich kann sie nicht vergessen … Sie ist in mir, verstehst du, in mir, sie sitzt jetzt vor dir und sieht aus wie Jian, weil wir ein Wesen sind.«
    »Mein Rat: Erzähle deinem Vater nicht, was dich fünf Tage lang festgehalten hat.«
    »Fünf Tage! Ein ganzes Leben wird es sein!«
    »Verschweig es ihm – und warte. Wir Chinesen haben immer gewartet, fünftausend Jahre lang, gewartet auf den Tag, ab dem es keine Herren und Sklaven mehr gibt, und wir glauben weiter daran, denn ohne Hoffnung ist der Mensch wie ein leeres Gefäß. Was bedeuten da ein paar Monate, die du warten mußt?« Zhang beugte sich vor und legte seine Hände auf Jians Hände, die nervös auf den Tisch trommelten. »Ich möchte sie sehen, Jian.«
    »Lida?«
    »Wen sonst?«
    »Du willst sie überreden, von mir zu gehen!« Jian sprang auf, seine Augen verengten sich, und sein Mund war wie eine Narbe in seinem Gesicht. »Auch du bist gegen sie.«
    »Sei mit deinem Urteil nie voreilig, bevor du nicht Kläger und Beklagte vernommen hast. Ich will mit ihr sprechen … Worte sind wie Gewichte auf einer Waage. Liebe blendet den Blick, aber ein alter Mann wie ich läßt ihn sich nicht mehr trüben. Ich will dir doch helfen.«
    »Du hast vor ein paar Minuten noch gesagt – «
    »Ich habe nur versucht, die Gedanken deines Vaters zu erraten«, unterbrach ihn Zhang. »Ich habe dir vorgespielt, was dich erwartet, wenn du im Überschwang der Gefühle alles erzählst.« Zhang lehnte sich wieder zurück. »Sie ist eine Bäuerin?«
    »Nicht direkt. Ihr Vater ist der Lehrer von Huili. Aber die Erde, die sie besitzen, bebaut sie. Ich war fünf Tage mit ihr auf dem Feld und habe mit ihrem Büffel gepflügt, und ich habe mich so wohl gefühlt wie nie in meinem Leben, weil ich nie wußte, wie einfach es ist, glücklich zu sein.«
    »Du bist kein Bauer, du wirst ein Arzt sein. Du wirst berühmter werden als dein Vater Tong Shijun, denn in dir schläft ein Geist und ein Können, das freilich noch erwachen muß. Du bist nicht für den Pflug geboren, sondern dazu, mit deinem Wissen die Kranken zu heilen und den Hoffnungslosen neuen Lebensmut zu geben.«
    »Was hat das alles mit Lida zu tun, Onkel Zhang?«
    »Ist sie die Frau, die einem berühmten Mann

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