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Der Jade-Pavillon

Der Jade-Pavillon

Titel: Der Jade-Pavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weh getan habe, und bewunderte gleichzeitig ihr zartes Gesicht, die langen schwarzen Haare, ihren roten Mund, ihre Augen, so dunkel wie ein See in der Nacht; als sie sprach, klang ihre Stimme in seinen Ohren wie der Gesang einer Nachtigall.
    Heute ist ein Glückstag, dachte er. Es war ein guter Rat von Onkel Zhang, den Markt von Xiaguan zu besuchen. Da dränge ich mich durch das Gewühl von tausend und mehr Menschen und treffe auf das schönste Mädchen, das ich je gesehen habe.
    Er redete auf sie ein, entschuldigte sich immer wieder, bot ihr an, den Arm, den er angestoßen hatte, mit einer Salbe zu behandeln, damit es kein Hämatom gebe, und so gelang es ihm, sie zu seinem Auto zu führen.
    Dort, neben einem Dreiradtraktor mit einem flachen Anhänger, lernte er einen im Gesicht grausam zugerichteten alten Mann kennen, den sie Onkel Chang nannte und der sehr abweisend war. Trotzdem gelang es ihm, hinter ihrem langsamen, tuckernden und stinkenden Traktor herzufahren zu dem Miao-Dorf Huili, wo Lida – so hatte sie ihm ihren Namen genannt – sofort vom Traktorsitz sprang und im Haus verschwand.
    »Das ist die Schule«, sagte Chang. »Und das ist das Lehrerhaus von Huang Keli. Hast du genug gesehen? Wir sind arm, aber zum Glücklichsein braucht man keinen japanischen Wagen. Wir sind glücklich, wenn die Sonne aufgeht und die Sonne wieder versinkt, und wir sagen uns: ›Wir haben wieder einen Tag erlebt, und er war voll Sinn und nicht verschenkt.‹« Chang nickte zu Huangs Haus hin und schüttelte dann den Kopf. »Es hat wenig Sinn zu warten. Lida wird nicht mehr aus dem Haus kommen.«
    »Dann gehen wir hinein.« Jian öffnete den Kofferraum seines Autos, nahm eine Segeltuchtasche heraus, auf der in großen Buchstaben ›Hongkong‹ gedruckt war, und wandte sich wieder Chang zu. »Es geht um dich, nicht um Lida. Du hast einen trockenen Husten, spuckst ab und zu Blut, und dein Gesicht …«
    »Es war eine böse, unbekannte Krankheit, die meine Haut zerfraß«, sagte Chang. »Aber das ist vorbei. Schon neun Jahre ist es her.«
    »Ich werde dich genau untersuchen, Onkel Chang.«
    »Es lohnt sich nicht, ich bin ein alter Mann.« Chang hob abwehrend beide Hände. Dabei sah er, wie Huang Keli aus dem Haus trat und hinter ihm der Kopf von Jinvan, seiner Frau, im Türrahmen erschien. Nach einem kurzen, neugierigen Blick verschwand sie wieder im Haus. »Da kommt der Lehrer«, sagte Chang.
    Jian stellte seine Segeltuchtasche auf den Boden und wartete, bis Huang nahe genug herangekommen war, um sich dann zu verbeugen, wie es die Sitte befahl. Huang nickte ihm zu, musterte ihn schnell und fand, der Besucher sei ein angenehmer Mensch mit klugen Augen und dem Benehmen nach von guter Erziehung.
    »Mein Name ist Tong Jian«, sagte Jian, als er so kritisch von Huang betrachtet wurde. »Ich bin ein Student der Medizin aus Kunming.«
    »Ich weiß es«, erwiderte Huang. »Meine Tochter hat es mir berichtet.«
    »Lida hat über mich gesprochen?«
    »Sie hat nur gesagt, daß Sie ihr nachgefahren sind und daß sie Sie auf dem Markt kennengelernt hat. Darf ich fragen, was Sie in unser armseliges Dorf führt?«
    »Mein Husten und mein Gesicht!« rief Chang dazwischen, ehe Jian vielleicht eine dumme Antwort geben konnte. »Er will mich untersuchen und mir Medizin verschreiben, und ganz umsonst, nicht einen Fen will er dafür haben. Was sagst du nun?«
    »Seien Sie mein Gast, Herr Tong«, sagte Huang und zeigte auf sein Haus. »Sie werden so eine ärmliche Hütte noch nie betreten haben, aber einen Tee lang werden Sie es aushalten können.«
    »Ich habe mit meiner Mutter und meiner Schwester am Ende der Kulturrevolution versteckt in einem Schweinestall gelebt. Ihr Haus ist ein Palast dagegen.«
    »Sie sind verfolgt worden?« fragte Huang.
    »Wir sind in Kunming eine bekannte Familie. Mein Vater hat nur überlebt, weil er die verwundeten Rotgardisten behandelte.«
    »Und sein Sohn kommt in ein armes Miao-Dorf, um einen alten Mann zu behandeln. Welche Ehre!«
    Huang ging voraus, und Jian betrat das Haus, wo Jinvan am Feuer stand und in verschiedenen Töpfen aus gebranntem Lehm, aus Eisen und auch aus Aluminium das Abendessen kochte. Der Reis war schon in die kleinste Holztonne eingefüllt und dampfte. In einem anderen Topf brodelte eine Suppe mit Glasnudeln, und auf dem Feuer stand eine Eisenpfanne, aus der es nach gebratener Ente duftete.
    »Es ist wenig, was wir Ihnen anzubieten haben, Herr Tong«, sagte Huang, als müsse er sich entschuldigen,

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