Der Jadereiter
und Ihnen die Frau beschreiben: Sie war eine atemberaubend schöne, hellhäutige Afro-Amerikanerin mit langen Beinen, vollem, festem Busen, tollem Gesicht, bunt gefärbten Haaren, einem diskreten kleinen Nabelpiercing mit einer in Gold gefaßten Jadekugel. Die Frau war groß, fast eins fünfundachtzig. Wir sind ziemlich sicher, daß sie den Goldstift von Warren hatte. Bei dieser Art der Prostitution sind Vorgespräche nichts Ungewöhnliches – schließlich wechselt eine ganze Menge Geld den Besitzer. Normalerweise fragt die Frau, welche Kleidung, welche Unterwäsche, welches Spielzeug und welche erotischen Phantasien der Kunde sich wünscht. Wir glauben, daß Warren ihr mit dem Goldstift seinen Stempel aufdrücken wollte, und sie sich dazu bereit erklärt hat.«
Wir hören zu reden auf, als die Tür sich öffnet. Es ist der Wachhund.
Kimberley Jones hat ihm diesen Namen gegeben. Eigentlich heißt er Detective Constable Anusorn Mutra – er ist seit gestern als Dauerleihgabe von District 15 bei uns, mit besten Grüßen von Colonel Suvit, sitzt für gewöhnlich im Schneidersitz auf einem Stuhl in der Ecke des Raums und ist, abgesehen von kurzen Toilettenbesuchen, durch eine unsichtbare Leine mit mir verbunden. Er hat die niedrige Stirn, die Hängebacken und den melancholischen Mund eines Idioten, ist aber darauf programmiert, mich von allen Ermittlungen abzubringen, die in Richtung Warren führen könnten. Das pfiffigste an ihm ist ein neues Nokia-Handy, das er in der linken Brusttasche seines Hemds herumträgt und das ihn mittels eines einzigen Knopfdrucks mit seinem Herrn und Meister in District 15 verbindet. Kimberley Jones und ich sprechen in seiner Gegenwart den Namen »Warren« nicht aus, obwohl der Mann kein Englisch versteht. Ich habe mich bereits beim Colonel beschwert, mit Argumenten, die normalerweise immer ziehen: Wie kann ein District-Leiter, der auch nur ein bißchen Selbstachtung besitzt, den Spion eines Rivalen auf eigenem Territorium dulden? Vikorn hat mir geantwortet, wenn ich den Wachhund hinnähme, könnte er mir vielleicht noch das Leben retten. Kimberley Jones und ich beobachten den Wachhund dabei, wie er das Zimmer durchquert und sich in seine übliche Ecke setzt.
»Sollen wir ihm einen Freßnapf und ein Körbchen kaufen?« fragt Kimberley Jones.
Ich schenke ihrem Scherz keine Beachtung, weil ich eine Möglichkeit für unsere Ermittlungen sehe. »Wäre es einfacher für Sie oder für mich, Kimberley« – ich gebe mich amerikanisch höflich, setze sogar das dazugehörige Lächeln ein – »an den Zeitplan des Schmuckhändlers heranzukommen, damit wir feststellen können, wann genau er sich in den letzten Jahren in Bangkok aufgehalten hat?«
»Lassen Sie es mich so sagen: Wenn ich es mache und der Falsche es merkt, lande ich in der Registratur. Wenn Sie es machen und der Falsche es merkt, landen Sie im nächsten Leben. Ich sehe, was sich tun läßt. Sie könnten versuchen herauszufinden, wie viele russische Prostituierte innerhalb der letzten fünf Jahre in Bangkok eines vorzeitigen Todes gestorben sind. Falls es schwierig sein sollte, an die Akten heranzukommen, können Sie sich ja an die Zeitungen wenden. Kaum ein Tag vergeht ohne irgendeinen Polizeiskandal. Liegt wahrscheinlich daran, daß die Polizei-Profit-Centers alle Überstunden machen.«
Ich ignoriere diese Spitze, weil ich mit der Arbeit vorankommen möchte. Besonders interessieren mich die E-Mails zwischen Warren und William Bradley, was bedeutet, daß ich Bradleys Computer brauche, der im sogenannten »Beweiszimmer« steht. Ich bitte den Wachhund, den Schlüssel zu holen, und bereue diese Bitte sofort, weil er sich bestimmt ewig Zeit lassen wird. Wir sehen ihm zu, wie er in Richtung Tür schlurft. Die FBI-Frau legt mir die Hand auf den Oberschenkel und nimmt sie sofort wieder weg. »Tut mir leid. Diese Stadt setzt alle Triebe frei, nicht nur bei weißen Männern. Ich war in dem Viertel, von dem Sie mir erzählt haben – Nana Plaza. Eigentlich dachte ich, das würde mich anwidern, aber jetzt verstehe ich, was Sie meinen. Die Mädchen dort sind geborene Jägerinnen. Ich würde nicht behaupten, daß sie glücklich sind in ihrem Job, aber sie leiden auch nicht darunter. Ich habe keine einzige gesehen, die kein Handy am Gürtel gehabt hätte. Für viele von ihnen, das merkt man ihren Augen an, wird die Kombination aus Geld und Sex und Jagd zur Sucht. Das kann ich wie die meisten Frauen nachvollziehen. Es ist schwierig, nicht von
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