Der Jadereiter
dieser ungehemmten Promiskuität angesteckt zu werden. Außerdem waren einige der Männer ziemlich attraktiv, nicht nur Trottel mittleren Alters, wie Sie angedeutet haben. Sie sind auch verdammt attraktiv, wenn ich Ihnen das sagen darf.« Sie wendet den Blick ab, also kann ich nicht beurteilen, ob sie süffisant grinst, rot wird oder sich auf die Lippen beißt.
»Sie dürfen nicht vergessen, woher sie kommen«, sage ich, um dem eigentlichen Thema auszuweichen. »Alles ist besser als ein Bordell auf dem Land. Die Begegnung mit einem farang könnte man im Vergleich dazu als Fünf-Sterne-Erfahrung bezeichnen.«
Sie sieht mich wieder an. »Die meisten Mädchen kommen also vom Land?«
Einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, mir mit der FBI-Frau ein Bett zu suchen, doch mir wird sofort klar, daß dieser Gedanke die Folge meiner befleckenden Ausschweifungen vom Vortag ist. Genau so entsteht Karma: durch Sehnsucht, die aus Sehnsucht erwächst, die aus Sehnsucht erwächst. Weil es mir mit Hilfe von Johnson’s Baby-Öl und einer gewaltigen Investition seitens des Colonel gelungen ist, mit den Reizen von drei schönen Frauen fertig zu werden, glaube ich nun, die FBI-Frau ungestraft bumsen zu können. Doch der Lord Buddha hat vor zweitausendfünfhundert Jahren gelehrt, daß es ein »ungestraft« nicht gibt. Bedeutend eleganter, als ich es je ausdrücken könnte, hat er gesagt, daß man für Mösen immer bezahlen muß, so oder so. Wenn wir in das Zimmer von Kimberley Jones im Hilton gehen würden, könnten zwei Dinge passieren: Entweder sie würde es mehr genießen als ich, oder ich hätte mehr Freude daran als sie. Der Interessiertere würde sofort zum Sklaven des anderen, mit katastrophalen Folgen für beide. Ich halte es für wahrscheinlich, daß sie mich in ihren Bann schlagen könnte und daß meine Fixierung von Tag zu Tag stärker würde. Wenn sie mich dann in der Falle hätte, würde sie mit ihrem messerscharfen Verstand an allem herumschnitzen, was ihr fremd ist: an meinem Glauben an die Wiedergeburt, meiner spirituellen Dimension, meiner Meditation, meinem Buddhismus, meiner Vorliebe für Chili. Ihr wäre nicht klar, daß sie mich allmählich in einen Amerikaner verwandeln würde, doch wenn ich schließlich mit ihr in einem gediegenen, aber seelen- und gesichtslosen Vorort irgendeiner amerikanischen Stadt lebte, einer einwanderertypischen Arbeit nachginge, mit amerikanischem Akzent spräche und mich mit meiner Chilisucht verstecken müßte, würde sie anfangen, mich zu hassen, weil ich inzwischen ein Mühlstein an ihrem Hals geworden wäre und die Leidenschaft sich schon längst verflüchtigt hätte. Vielleicht gäbe es sogar ein Kind, was alles natürlich noch schlimmer machen würde, weil unser gemeinsames Karma nun auch noch diese dritte Person einschlösse. Egal, wie sehr wir uns dagegen wehren: Wir werden in Umstände hineingeboren, in denen wir gezwungen sind, dort weiterzumachen, wo wir im letzten Leben aufgehört haben. Mittlerweile wären wir erbitterte Feinde, und ich hätte mich vermutlich, dem üblichen Gang der Dinge entsprechend, als der Dominante entpuppt. Nein, ich werde sie heute nicht bumsen.
»Sonchai, was machen Sie denn?«
»Ich meditiere.«
»Müssen Sie das gerade jetzt tun, mitten im Gespräch? Wir sind bei der Arbeit.«
Verstehen Sie jetzt, was ich meine?
Es hat keinen Sinn, auf den Wachhund zu warten, der sich wahrscheinlich verlaufen hat, also lasse ich Kimberley Jones mit den Kassetten allein und mache mich selbst auf die Suche nach dem Schlüssel.
Ich muß feststellen, daß ich den Wachhund unterschätzt habe. Der Schlüssel steckt in der Tür; im »Beweiszimmer« spielen drei junge Constables auf Bradleys Computer Space Invaders. Die Plastikplane, mit der wir das Beweisstück sorgfältig zugedeckt hatten, liegt auf dem Boden, und die drei Jungen – sie sind vielleicht achtzehn oder neunzehn – haben nicht nur Hocker, sondern auch Essen in Styroporbehältern sowie ein paar Dosen 7Uporganisiert. Es sieht so aus, als wollten sie es sich hier gemütlich machen. Der Wachhund beobachtet die drei schweigend dabei, wie sie aufgeregt die schwarzen stahlgepanzerten Invasoren mit Hilfe der flinken weißen Verteidiger ausschalten.
Diese Situation ist wie alle im Leben für einen praktizierenden Buddhisten ausgesprochen lehrreich. Brüllen erzeugt mehr negatives Karma, als die beiden Jungen bereits produziert haben. Andererseits führt zu große Nachsicht meinerseits sie weiter auf ihrem
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