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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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anhängen wollen, und die Antwort lautet: Sex. Ihre Ressentiments gegen Männer richten sich nicht gegen ihr Geld und ihre Macht, sondern gegen ihren Schwanz.«
    »Sonchai, der Mythos vom Penisneid wurde da, wo ich herkomme, irgendwann vor meiner Geburt begraben, und ich bin nicht in der Laune, diese prähistorischen Kämpfe neu aufleben zu lassen. Ich habe gestern abend den Fehler gemacht, Thai-Bier zu trinken, und leide heute unter rasenden Kopfschmerzen. Daß ich mir den Harlem-Slang der beiden anhören muß, lindert sie nicht gerade. Das ist übrigens keine rassistische Bemerkung, sondern eine soziologische Beobachtung. Zu allem Überfluß habe ich mir auf dem Weg hierher das dritte Mal in drei Tagen den Knöchel an einem Kanaldeckel verstaucht. Sagen Sie mir doch, o weiser Mann, warum müssen die Kanaldeckel in Ihrer Stadt einen knappen Zentimeter überstehen? Ich weiß, das ist eine chauvinistische Frage, aber in meinem Land haben wir die exzentrische Gewohnheit, sie mit dem Boden abschließen zu lassen. Wenn das nicht so wäre, würde die Stadt New York wegen Fahrlässigkeitsklagen bankrott gehen. Es muß einen Grund geben. Es ist wieder das Karma, stimmt’s? Alle thailändischen Bürger haben in ihrem Vorleben Menschen stolpern lassen und müssen deshalb jetzt selber stolpern?«
    Ich lächle milde. »Wir stolpern nicht, das tun nur die farangs. Vermutlich haben Sie in einem früheren Leben andere Menschen zum Stolpern gebracht.«
    Sie schüttelt den Kopf. »Lassen wir das Thema. Wieso sind Sie heute morgen eigentlich so munter?«
    Gute Frage. Ich habe fünfmal geduscht, um Johnson’s Baby-Öl von Haut und Haaren zu waschen, aber es wird wohl noch ein paar Tage dauern, bis auch der phallische Stolz verschwunden ist, von dem kein guter Meditierer sich den Verstand beflecken läßt. Ich hätte nie gedacht, daß ich mit einer solchen Herausforderung fertig werden würde, doch es scheint mir trotz kurzfristiger Konzentrationsschwächen der drei Ns bei Toren von Beckham gelungen zu sein. Derartige Heldentaten hatten bisher nicht zu meinem Ichverständnis gehört. Ich beschließe, über den Fall zu reden.
    »Ich glaube, Warren hat eine Frau verletzt, wahrscheinlich eine Prostituierte. Und ich glaube weiter, er hat es so gut vertuscht, daß das FBI nie an die für eine Anklage nötigen Beweise kommen wird.«
    »Wenn dem tatsächlich so wäre, würde ich mich doch der Indiskretion schuldig machen, sobald ich mit Ihnen darüber rede, oder? Hören Sie sich das hier mal an: Ich denke, das könnte es sein, wonach wir suchen.«
    Sie reicht mir ihren Walkman samt Kopfhörer.
     
    Bruder, das hab ich dir bis jetzt nicht gesagt: Ich hab mir Geld geliehen. Wahrscheinlich weißt du nicht, was das in diesem Land bedeutet. Daß du die Kohle zurückzahlst, dafür sorgen die Kredithaie. Solche Höllenhunde gibt’s in den Staaten nicht. Da sind nicht mal Drohungen nötig.
    Ja, hab ich mir schon gedacht, Billy. Wieviel? (Die Antwort ist nicht zu verstehen.)
    Das ist verdammt viel, Junge. So viel hab’ ich im Moment nicht, und selbst wenn, würde ich den Zaster wahrscheinlich investieren. Ich bin Geschäftsmann, das Geld muß für mich arbeiten.
    Ich bitte dich ja gar nicht um Geld, sondern um einen Rat, Eli. Ich muß aus dieser Sache raus, und zwar ein für allemal. Sag mir, was ich tun soll, wie früher. (William flüstert kehlig, wie ein gebrochener Mann.) Du kennst mich; alles, was du über mich gesagt hast, stimmt. Ich bin das personifizierte Zweite-Kind-Syndrom. Ich habe dreißig Jahre lang Befehle befolgt. Das kann ich verdammt gut, Eli, das weißt du. Ich führe jeden Befehl, den du mir gibst, bis in die letzte Einzelheit aus, aber ich hab keine eigenen Ideen. Keine einzige.
    Billy, findest du es klug, so ein Telefongespräch mit einem verurteilten Verbrecher zu führen?
    Tut mir leid, Eli, tut mir echt leid, daß ich dich dazu gebracht habe, das zu sagen. Ich hab mich getäuscht … (Eine sehr lange Pause, vielleicht fünf Minuten. Als ich glaube, das Gespräch sei zu Ende, und auf das nächste warte, höre ich ein gequältes Aufheulen, wie ich es noch nie von einem Mann vernommen habe. Es dauert mehr als dreißig Sekunden.)
    Halt durch, Billy. (Seufzen) Ich sehe, was ich tun kann.
    Es ist schlimm, Bruder, echt schlimm. Ich hab eine Scheißangst.
    (Sanft) Das höre ich, Kleiner, das höre ich.
     
    Ich drücke auf den Stop-Knopf, nehme den Kopfhörer ab und nicke Kimberley Jones anerkennend zu. Sie greift nach dem Walkman

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