Der Jadereiter
und legt ihn auf den Tisch. »Gut, wir machen einen Deal: Sie sagen mir, warum Sie so sicher sind, daß Warren meiner Meinung nach eine Frau verletzt hat, und ich sage Ihnen, ob es tatsächlich so war.«
»Hier in der Stadt gab’s einen Skandal, der alle in helle Aufregung versetzt hat. Sieht fast so aus, als wäre die Hälfte der hochrangigen Cops in die Vertuschung verwickelt. Ich weiß nicht, worum’s dabei ging, aber der Colonel hat praktisch zugegeben, daß es mit einer Frau zu tun hatte. Und da dachte ich mir, wenn Warren so etwas hier gemacht hat, dann vielleicht auch in Ihrem Land.«
Immer wenn ich meinen Colonel erwähne, beginnen die Kiefer von Kimberley Jones wie wild zu mahlen. Sie wählt ihre Worte sorgfältig: »Eine neunundzwanzigjährige Prostituierte, die sich auf Sadomaso spezialisiert hatte. Sie bekam ziemlich viel Geld dafür, daß sie sich von reichen Männern fesseln und mißhandeln ließ und so tat, als gefiele ihr das. Sie war hart und clever und konnte wie jede Frau einen Orgasmus vortäuschen. Sie hat sich nur Männer ausgesucht, denen es schaden konnte, wenn sie zu weit gingen, und niemals einen Job angenommen, ohne den Betreffenden zuerst auszukundschaften. Wahrscheinlich hat sie Sylvester Warren für eine sichere Nummer gehalten. Ich glaube, es war das einzige Mal, daß sie einen Mann falsch eingeschätzt hat.«
»Er hat sie verletzt?«
»Der menschliche Körper kann mit weniger als sechzig Prozent der Haut nicht überleben. Das Problem dabei ist das Wasser, nicht das Blut. Man verliert Flüssigkeit schneller, als sie sich ersetzen läßt, selbst wenn man nicht gefesselt ist und sich deshalb nichts zu trinken holen kann.«
»Sie ist gestorben?«
»Gladys Pierson war zum Zeitpunkt ihres Todes am 15. Februar 1996 immer noch gefesselt.« Kimberley Jones setzt die Kopfhörer auf und nimmt sie wieder ab. »Alle, die an den Ermittlungen in dem Fall beteiligt waren, wissen, daß Warren der Mörder ist, aber es gibt keine Beweise, keine Haare oder Fasern, kein Sperma, keine DNA. Wir glauben, daß er ein Spezialistenteam, das normalerweise für die Mafia arbeitet, bezahlt hat, alle Spuren am Tatort zu beseitigen.«
»Er hat ein Messer verwendet?«
»Nein, eine Peitsche. Er hat sie zu Tode gepeitscht.« Sie schaltet den Walkman ein und aus, ein und aus. »Nach allem, was ich im Psychologiekurs gelernt habe, würde ich sagen, daß die beiden Seiten von Sylvester Warrens Persönlichkeit in dem Augenblick zur Deckung kamen. Wahrscheinlich hatte er schon viele Frauen mit Sadomaso-Spezialisierung angeheuert, aber irgend etwas an Gladys hat ihn ausflippen lassen. Ich vermute, das war der ekstatischste Moment seines Lebens, auf den er sich seit der Pubertät unterbewußt vorbereitet, den er aber dank seiner Klugheit, Selbstbeherrschung und Stärke bis dahin zu verhindern gewußt hatte. Früher oder später würde er diese Erfahrung wiederholen müssen. Normalerweise entfalten sich Psychosen, die ihren Ursprung in der Pubertät haben, zwischen fünfunddreißig und fünfundvierzig zu voller Blüte – jedenfalls bei weißen Männern. Doch Warren ist sehr, sehr diszipliniert, die Barriere zwischen seinem kontrollierten Ich und seinen Phantasien in seinem Fall viel höher. Ich glaube, er ist erst relativ spät auf den Geschmack gekommen. Vielleicht hat er Drogen genommen, aber eigentlich bezweifle ich das. Ich halte ihn für einen echten Verrückten, der keine chemischen Hilfsmittel braucht.« Langes Schweigen; Kimberley Jones ist sichtlich aufgewühlt. »Sie haben recht: Als wir merkten, daß wir die nötigen Beweise nicht bekommen würden, gaben die anderen im Team auf, doch ich beschloß, mich auf den Aspekt der Kunstfälschung zu konzentrieren. Damit hatte ich einen Grund, die Ermittlungen gegen ihn weiterzuführen und etwas über asiatische Kunst zu lernen. Was soll’s? Mit ziemlicher Sicherheit sind nicht alle seine Geschäfte legal. Kunst ist viel komplexer als Mord, also kann mir keiner meiner Kollegen widersprechen, wenn ich behaupte, es gebe Beweise für Fälschungsdelikte. Woher sollten sie Bescheid wissen? Sie müßten erst einen dicken Wälzer über südostasiatische Antiquitäten lesen. Früher oder später erwische ich ihn. Al Capone haben sie irgendwann wegen Steuerhinterziehung drangekriegt. Haben Sie eine Ahnung, was hier bei Ihnen passiert ist?«
»Nein, ich vermute nur, daß es eine russische Prostituierte war. Haben Sie ein Foto von Ihrem Mordopfer?«
»Ich kann eins besorgen
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