Der Jadereiter
hoffnungslos verklemmt. Die psychologischen Tests sind wahnsinnig aufwendig und ziehen sich über drei Monate hin. Der Vorbereitungsprozeß dauert in den Staaten zwei Jahre. Die wenigsten Menschen wollen sich den Männern und Frauen in Weiß so lange ausliefern, also wenden sie sich an uns. Im gleichen Zeitraum, in dem wir tausend Operationen durchführen, schafft eine Klinik im Westen nur hundert. Natürlich besitzen unsere Chirurgen deshalb die größere Erfahrung. Außerdem« – er lächelte – »haben die thailändischen Ärzte Geschick beim Aufschneiden von Menschen. Vermutlich liegt das an den asiatischen Genen. Unsere Klinik ist für Einheimische ziemlich teuer, für Leute aus dem Westen jedoch spottbillig. Thailändische Interessenten wenden sich normalerweise an andere Kliniken. Dort stehen die Chancen für eine geglückte Operation fünfzig zu fünfzig.«
»Dann kannten Sie ihn also?«
Das war die erste Frage, die den Arzt zu überraschen schien. »Ob ich ihn kannte? Sie meinen den Marine? Sie machen wohl Scherze.« Ich hob die Augenbrauen. »Den habe ich öfter gesehen als meine Patientin. Wenn er nicht hier war, hat er mich angerufen. Leider habe ich ihm meine Handynummer gegeben. Er hat mich mitten in der Nacht aus dem Bett geholt, als wäre ich sein Hausarzt.«
»Ist das ungewöhnlich?«
»Seine Verbissenheit und sein Perfektionismus waren ungewöhnlich, ja. Manchmal ist er mir überhaupt nicht wie ein Soldat vorgekommen, aber dann habe ich mir wieder gedacht: Doch, genau so muß ein Berufssoldat sein. Er muß auf die Details achten, alles mitbekommen. Allerdings hatte er einen Blick fürs Ästhetische, den man bei Militärangehörigen normalerweise nicht findet. Er hat Fatima praktisch entworfen, und am Ende bekam er das perfekte Produkt. Fatima ist ohne jeden Zweifel mein bestes Werk.«
»Ist sie auch sein Werk?«
»Ja. Er hat sich im Internet über alles informiert, sich professionelle Software besorgt und Sachen gefunden, von denen ich kaum etwas wußte. Er kannte den Fachjargon und jedes Detail sowohl der Hautinversionstechnik, die ich Ihnen gerade erklärt habe, als auch der Stimmgestaltung.«
»Der Stimmgestaltung?«
»Ja, sie ist das eigentliche Problem. Die menschlichen Sexualorgane sind nicht besonders komplex aufgebaut und unterscheiden sich kaum von denen anderer Säugetiere. Sie gehören zu den ältesten Organen überhaupt; es gibt sie, seit Gott die Welt in männlich und weiblich aufgeteilt hat, und wir wissen ziemlich viel über sie. Sie werden kaum jemals aus gesellschaftlichen Gründen verändert. Bei der Stimme ist das etwas anderes. Ich bin kein Seelenklempner, aber wenn Sie mich fragen, ist die Stimme weit wichtiger für die Identität als das, was Sie zwischen den Beinen haben. Ich könnte Ihnen den Schwanz und die Eier abschneiden und Ihnen eine wunderbare Möse formen, aber Sie wären alles andere als glücklich, wenn Sie nach wie vor wie ein Mann klingen würden. Der Adamsapfel läßt sich abschaben – bei Fatima war nur ein winziger lokaler Eingriff nötig.«
Er deutete auf seinen eigenen Adamsapfel und ließ den Daumennagel über eine Länge von knapp einem Zentimeter darüber gleiten. »Sie war praktisch perfekt, hatte fast keine Auswölbung. Von dem Eingriff ist nur eine winzige Narbe geblieben, anfangs trug Fatima Halstücher, um sie zu verbergen, aber später hat sie sich unauffällig in die Faltenstruktur der Haut gefügt. Ich glaube nicht, daß sie irgend jemandem auffallen würde, und wenn, wüßte der Betreffende wahrscheinlich nicht, worum es sich handelt. Aber das hatte nichts mit der Stimme zu tun, nur mit der Optik. Für die Stimme braucht man eine Schulung, unter Umständen kombiniert mit einer ziemlich komplizierten Verkürzung der Stimmbänder, um einen etwas höheren Stimmumfang zu erreichen.«
Schweigen, während Dr. Surichai meinen Hals musterte. »Es ist jedoch ein Irrglaube, daß die Stimme einer Frau höher sein muß als die eines Mannes, um sich weiblich anzuhören. Manche Frauen haben eine sehr tiefe Stimme, und trotzdem klingen sie weiblich. Die Geschlechteridentifikation über die Stimme beginnt bereits früh; dabei nehmen wir unterschwellig zahllose Signale wahr. Die Stimme ist es, die der Welt sagt, wer und was wir wirklich sind, mit den Genitalien oder der Kleidung hat das viel weniger zu tun. Ihre Stimme beispielsweise, Detective, entspricht genau den Erfordernissen Ihres Berufes. Sie sind höflich und bestimmt und in der Lage, Ihr
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