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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Gegenüber einzuschüchtern, ohne die Stimme zu heben. Vermutlich wissen Sie, wie Sie jemanden in Angst und Schrecken versetzen können, indem Sie sie eisig klingen lassen, nicht wahr? Jemandem beizubringen, durch die Stimme das andere Geschlecht zu verkörpern, ohne sich gekünstelt oder wie eine Drag Queen anzuhören, ist die schwierigste Aufgabe überhaupt. Zum Glück handelt es sich dabei nicht um ein chirurgisches Problem.«
    »Fatima spricht genau wie eine Frau; an ihrer Stimme ist nichts Männliches.«
    »Richtig. Dafür muß ich Bradley die größte Hochachtung zollen. Bei den chirurgischen Fragen war er eigentlich nur lästig. Er hat genau die Titten bekommen, die er wollte, aber dazu waren ungefähr zwanzig Stunden Besprechungen sowie Diagramme, Zeichnungen und E-Mails von Brustwarzendetails nötig – können Sie sich das vorstellen? Um einen wirklich schönen weiblichen Busen zu formen, müssen Sie den natürlichen Linien des Torsos folgen; das ist ein ästhetisches Problem, also braucht man das Auge eines Künstlers. Bradley dachte, er sei der einzige, der eine Ahnung von den Gesetzen der Kunst hat, mich hielt er lediglich für einen überschätzten Metzger. Er ist mir, offen gestanden, auf die Nerven gegangen, obwohl ich zugeben muß, daß er wußte, wovon er sprach. Aber die Stimme, die war etwas anderes. Er hat viel Arbeit in das Projekt gesteckt, einen Kassettenrekorder verwendet und sie zu einem Stimmbildner geschickt, nachdem wir ihre Stimmbänder ein wenig verkürzt hatten. Ich glaube, dort hat sie ihr gutes Englisch gelernt, der Therapeut war Amerikaner. Er oder Bradley hat begriffen, welche Aura eine Frau ausstrahlen muß, und dieses Wissen Fatima vermittelt. Das ist ihr eigentliches Geheimnis, das den meisten Leuten verborgen bleibt. Sie konzentrieren sich auf ihre langen Beine, ihre perfekten Brüste, ihr Afro-Modigliani-Gesicht und merken gar nicht, daß ihre Sexualität erst ihre geballte Kraft entfaltet, sobald sie den Mund aufmacht. Ich bekomme immer noch eine Gänsehaut, wenn sie spricht, wenn ich diesen sehr, sehr weiblichen, negroiden Tonfall höre.«
    »Bitte denken Sie genau über die Frage nach, die ich Ihnen jetzt stellen werde, Dr. Surichai: Hatten Sie jemals das Gefühl, daß bei der Gestaltung von Fatima noch jemand anders beteiligt war als Bradley?«
    Er runzelte die Stirn und legte den Kopf schräg. »Wäre das möglich? Der Gedanke ist mir nie gekommen, aber ein paarmal habe ich mich schon gefragt, woher der Marine seine Ideen hatte. Manchmal hat er sich eher wie ein Kunsthändler ausgedrückt, nicht wie ein Soldat.«
    »Haben Sie eine Ahnung, wie sie auf den Namen Fatima verfallen sind?«
    »Merkwürdig, nicht? Ich war dabei, als sie den neuen Namen für sie auswählten. Bradley sagte: ›Wie willst du dich nennen, Schatz?‹ Und sie antwortete: ›Fatima, Tochter des Propheten.‹ Wie Sie sich vorstellen können, hat sie uns beide überrascht. Erst später ist mir klargeworden, daß sie als Karen mit moslemischen wie auch mit christlichen Missionaren in Berührung gekommen sein muß. Bradley fragte: ›Bist du sicher?‹ Und sie antwortete mit Ja. Das war der einzige Punkt, über den sie nicht mit sich reden ließ.«
    Dr. Surichai erhob sich. Er war unerwartet klein, nicht mal eins siebzig. Im Sitzen strahlte er lässige Macht und Autorität aus; wenn er aufstand, war er nur noch ein kleingewachsener Mann, der etwas beweisen wollte. »Wenn Ihnen das weiterhilft, können Sie einen Ausdruck haben.«
    Sein Computer, ein Turm mit riesigem Flachbildschirm, befand sich auf der anderen Seite des Raumes. Ich erhaschte einen kurzen Blick auf das Diagramm eines Penis, bevor der Arzt eine Datei mit dem Namen »Fatima« anklickte. Er ließ einige Graphiken von Sexualorganen und Adamsäpfeln durchlaufen und stoppte erst bei der Darstellung einer weiblichen Brust.
    »Das meine ich«, sagte er und nickte in Richtung Bildschirm.
    Jemand hatte mit Hilfe eines Computerprogramms die Konturen einer Brust vor dem Hintergrund kreuzförmiger Linien aufgezeichnet, die offenbar einen Torso darstellten. »Das ist Brustdiagramm Nummer sechsundsiebzig. Ich scherze nicht: Er hat sie alle numeriert und sie mir per E-Mail zugeschickt, riesige Graphikdateien, die mein ganzes System blockiert haben, bevor ich zur Breitbandtechnik gewechselt bin. Das hier sind nur die Umrisse. Wenn ich die Brustwarze anklicke, bekomme ich Details davon.«
    Jetzt sah das Bild aus wie das eines zerfallenden Turms von einem

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