Der Jadereiter
seinen schönen zwanzigstöckigen Gebäudekomplex sowie seine hochmoderne medizinische Ausrüstung erwarb, obwohl seine Hauptdienstleistung auf den Seiten der Hochglanzbroschüren gar nicht auftaucht.
»Was ist ein Transsexueller?« fragte Dr. Surichai mich mit erhobenen Armen und gebeugten Schultern. »Die Meinungen darüber gehen auseinander, sogar unter Medizinern. Besonders unter Medizinern. Handelt es sich um einen voll funktionsfähigen Menschen, der endlich das Geschlecht hat, welches er von Geburt an hätte haben sollen, oder um einen mittelalterlichen Eunuchen, vollgepumpt mit Östrogen?« Dr. Surichai legte einen Zeigefinger auf die Lippen, als müßte er über diese Frage nachdenken. Dann hellte sich sein Gesicht auf. »Manche Psychologen sind der Ansicht, meine Patienten seien alle verrückt. Für sie gibt es so etwas wie eine Frau, die im Körper eines Mannes geboren wurde, nicht. Sie halten das, was ich tue, für ein Verbrechen.« Dann, mit einem strahlenden Lächeln: »Oder besser gesagt: Sie finden, daß es als solches geahndet werden sollte.«
»Und was finden Sie?«
Er runzelte die Stirn. »Das Thema ist überaus komplex. Wie Sie sich vorstellen können, habe ich viel darüber nachgedacht. Es beginnt mit folgender Frage: Was ist Geschlecht? Es gibt das biologische Geschlecht, das sind Brüste, Vagina, Gebärmutter, Eierstöcke, Penis, Hoden. Außerdem wäre da das von den Chromosomen bestimmte Geschlecht – hier beschäftigen wir uns mit den kleinsten Bausteinen des Körpers. Das Ergebnis einer Chromosomenanalyse ist nicht unbedingt eindeutig und stimmt auch nicht notwendigerweise mit der Anatomie überein. Mit anderen Worten: Ein Mensch mit männlichen Chromosomen, aber weiblichem Körper ist durchaus möglich. Letztendlich wird die Chromosomenanalyse nur bei Profisportlern angewendet – irgendein Kriterium muß man ja haben, um feststellen zu können, ob die Person Sieger bei den Herren oder bei den Damen ist. Dann hätten wir das hormonelle Geschlecht, das gänzlich von der Chemie abhängt und sich relativ leicht durch die Gabe von Medikamenten verändern läßt. Und schließlich noch das psychologische Geschlecht. Hier geht es darum, welchem Geschlecht man glaubt anzugehören. Wie reagiert man auf die Welt, als Mann oder als Frau? Die große Frage ist, was kommt zuerst? Für die meisten von uns ist das kein Problem, weil wir uns als im richtigen Körper geboren wahrnehmen. Aber stellen Sie sich vor, Sie tun das nicht? Stellen Sie sich vor, Sie haben einen voll funktionsfähigen, normal großen Penis und verbringen Ihr Leben in der Überzeugung, eine Frau im falschen Körper zu sein? Das ist übrigens kein neues Phänomen; es gibt Aufzeichnungen aus der Antike, besonders aus Asien, über Menschen, die transsexuell waren in einem Zeitalter ohne die nötige Technologie für eine Geschlechtsumwandlung. Der einzige Unterschied heute ist, daß wir diese Technologie haben. In so einem Fall tue ich nichts anderes, als den Körper anzugleichen.«
»Was genau geschieht dabei?«
»Ich schneide dem Mann den Schwanz und die Eier ab. Man nennt das Vaginoplastie, was soviel heißt wie ›eine Vagina machen‹. Dabei verwende ich die Hautinversionstechnik. Im wesentlichen häuten wir den Penis, stülpen ihn um und nähen ihn in die Scheidenhöhle. Alle Männer haben übrigens eine Scheidenhöhle. Diese öffnen wir, füttern sie mit der Haut des Penis, verwenden die übrige, um einen Schleimhautlappen, die Klitoris, zu formen, geben dem Schätzchen sogar ein Häubchen, und fertig ist die Chose. Na ja, nicht ganz, aber das ist es im Groben. Es sind viele Vorarbeiten nötig, hauptsächlich Hormoninjektionen und psychologische Tests.«
»Verraten Sie mir mehr über die Tests.«
»Tja, wie gesagt, es gibt Psychologen, die das Argument mit der ›Frau im Männerkörper‹ nicht akzeptieren, aber die gelten als spießig. Das psychologische Profil eines echten Transsexuellen ist ziemlich simpel. Die Überzeugung, im falschen Körper zu leben, bildet sich erstaunlich früh heraus – zwischen drei und fünf Jahren. Interessanterweise scheint sie nichts mit Sex zu tun zu haben. In der Mann-zu-Frau-Kategorie, der für uns im Augenblick wichtigen, besteht der Wunsch, als normale Frau wahrgenommen zu werden, was fast schon pervers ist, weil es für Nichtbetroffene keine größere Provokation gibt als einen Transsexuellen. Er ist der letzte echte Revolutionär unserer Zeit, der sogar das Geschlecht zu einem
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