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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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steht in schwarzer Kursivschrift Stangen aus Stahl. Für die Darstellung geriatrischer Geilheit hat sie einen Profikarikaturisten angeheuert: gebeugt, aber muskulös; Glatze und Ziegenbart; heraushängende Zunge. Der Colonel fragt mich, was ich davon halte. Sohnesloyalität (das heißt eine Kindheit erbarmungsloser Gehirnwäsche in Verbindung mit emotionaler Erpressung der übelsten Sorte) verpflichtet mich dazu, das Werk für genial zu erklären.
    Der Colonel nimmt das T-Shirt in beide Hände und drückt es mir gegen die Brust. Ich muß es mir an den Körper halten, während er einen Schritt zurücktritt. » Farangs mögen so was? Mein Gott, ist das … häßlich.«
    »Tja, so sind sie nun mal. Ein traditioneller Thai-Männerclub würde sie verschrecken.«
    »Ach.« Einen Moment wirkt er verwirrt, gestrandet in fremder Psychologie. »Und es macht nichts, daß manche der Kunden tatsächlich so aussehen?«
    »Das ist genau der Punkt. Das gibt ihnen ein Gefühl der Sicherheit.«
    Er nickt, scheint meine Argumentation zu verstehen oder doch wenigstens zu akzeptieren. »Übrigens: Deine Mutter und ich haben vor, dir zehn Prozent der Erlöse aus dem Geschäft zukommen zu lassen. Sie möchte, daß du in das Familienunternehmen einsteigst, weil du dann kein allzu hartes Urteil über uns fällst, wenn du gerade eine deiner frommen Phasen hast.«
    »Ich fürchte, das kann ich nicht annehmen. Auf diese Weise Geld mit Frauen zu verdienen, untersagt der Buddha ausdrücklich.«
    » Ganja rauchen auch. Im übrigen ist das ein Befehl. Einem Vorgesetzten zu widersprechen, verbietet der Achtfache Pfad ebenfalls.«
    »Tja, dann werde ich wohl ja sagen.«
    Ich lege das T-Shirt auf seinem Schreibtisch zusammen. Der Colonel schüttelt es wieder aus, um noch einen Blick darauf zu werfen, nickt beruhigt – wenn auch ästhetisch überfordert – und entläßt mich. Schließlich hat Mutter den Internetkurs des Wall Street Journal gemacht. Als ich die Tür erreiche, ruft er mir nach: »Tut mir leid, eins hab ich noch vergessen: wieder so ein dummer Bericht aus Quantico. Ich habe den Text ins Thai übersetzen lassen, aber besonders interessant ist er nicht. So was findet man durch Nachdenken auch raus.«
    Ich suche mir einen ruhigen Winkel im Polizeirevier. Der Bericht ist nur drei Seiten lang und überraschend verständlich formuliert.
    Bericht des Department of Criminal Profiling, Federal Bureau of Investigation, Quantico, Virginia
     
    Dokumentkategorie: Vertraulich, ausschließlich zur Weitergabe an die an den Ermittlungen beteiligten Parteien (auch die thailändische Polizei) Betrifft: Fatima, das ist Ussiri Thanya, Transsexuelle; Geschlechtsangleichung mit Ende Zwanzig; geboren und aufgewachsen in Thailand. Vater unbekannter afro-amerikanischer Militärangehöriger (vermutlich Rekrut während des Vietnamkriegs); Mutter Prostituierte aus den nordwestthailändischen Karenstämmen in den Grenzgebieten. Fatima wurde, soweit bekannt, von der Großmutter im Stammesterritorium an der Grenze zu Myanmar aufgezogen, während die Mutter weiter als Prostituierte in Bangkok arbeitete …
     
    Wie Vikorn bereits richtig bemerkte, steht in dem Bericht nichts, was man nicht selbst hätte herausfinden können. Ich blättere zum letzten Absatz weiter.
    Langfristig hat die chirurgische Entfernung der Genitalien nur bei Menschen, die eine tiefe, lebenslange Sehnsucht nach einer Geschlechtsangleichung verspüren, keine verheerenden psychologischen Folgen. Die sadistische und ausgesprochen klug ausgeführte Ermordung Bradleys durch Fatima entspricht genau unseren Erwartungen. Allerdings dürfte damit ihr Zorn nicht besänftigt sein. Sie hatte Bradley zu einer wohlmeinenden Erlöserfigur stilisiert. Ihm opferte sie ihren einzigen Besitz, dem die Welt irgendeinen Wert beizumessen schien, ihre Genitalien. Nach dem Verrat durch Bradley hat sie vermutlich ihre Fähigkeit, Menschen Vertrauen entgegenzubringen, eingebüßt. Ihr bisheriges Leben (der Mord an Bradley ausgenommen) ist unserer Meinung nach nur deswegen relativ normal verlaufen, weil sie eingeübten Verhaltensmustern gemäß handelt oder einen Plan verfolgt, der im wesentlichen soziopathisch sein dürfte. Sie wird der Versuchung, der Welt das anzutun, was ihr angetan wurde, irgendwann nicht mehr widerstehen können.

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    Gefängnisverwaltung und Einwanderungsbehörde schirmen den Ausländer gemeinsam ab von dem Augenblick, in dem er das Gefängnis verläßt, bis zu dem, in dem er den Rückflug in seine

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