Der Jadereiter
irgendwie zu dem Ding. Da Bill nicht unentbehrlich war, bekam er trotz des Risikos nicht viel Geld; das habe ich erst vor kurzem erfahren. Wenn sie ihn erwischt hätten, wäre er doch lebenslänglich in Bang Kwan gelandet, oder?«
»Wahrscheinlich. Nach fünf Jahren hätte man ihn in die Staaten geschickt, aber dort wäre er sicher noch einmal zu Gefängnis verurteilt worden. Er ist ein großes Risiko eingegangen.«
»Genau das habe ich ihm gesagt: großes Risiko für wenig Geld. Ich habe versucht, die gute Ehefrau zu spielen, aber allmählich wurde ich auch neugierig. Dr. Surichai und seine Klinik waren nicht gerade billig, und wenn das yaa baa und die kleinen Aufträge, die er hin und wieder von dem Schmuckhändler bekam, nicht soviel einbrachten, woher stammte dann das Geld?«
»Hatten Sie einen Verdacht?«
»Ich ahnte nicht, was tatsächlich los war, nein. Ich wußte, daß ich eine Seite von Bill überhaupt nicht kannte, hatte aber keine Ahnung, wie die aussah. Eine Weile habe ich darüber nachgedacht, ob er seine Idee, der Schmuckhändler könnte der Teufel oder ein Teufelsanbeter sein, ernst meinte, ob sie sich vielleicht mit Schwarzer Magie befaßten. Ich habe sogar überlegt, ob Bill ihn erpreßt. Ein paarmal habe ich ihn direkt gefragt: Woher hast du das Geld für die Medikamente, Dr. Surichai, die Klinik? Ich solle mir keine Gedanken machen, das Geld sei da, hat er geantwortet.«
»Irgendwann haben Sie’s dann doch herausgefunden?«
Schweigen. Sie hat auf einem Sofa Platz genommen, ich sitze in einem großen Sessel.
»Sie glauben also, daß ich ihn umgebracht habe, Schätzchen?«
»Ich weiß es.«
»Ich? Wie um Himmels willen hätte ich die Schlangen bändigen sollen? Im Ernst, Detective: Dazu wäre eine ganze Armee von Fachleuten nötig gewesen.«
Sie erhebt sich, genau wie eine Frau, elegant, mit einem erotischen Schwung des Hinterteils. Das wirkt absolut echt, überhaupt nicht gekünstelt. Es ist unheimlich, wie gut die Verwandlung in ihrem Fall geglückt zu sein scheint. Kein Wunder, daß Dr. Surichai so stolz ist. Nur aus dieser Perspektive, fast von unten, erkenne ich die winzige Narbe an ihrem Hals. Ich schalte das Diktaphon aus, stehe ebenfalls auf, und sie begleitet mich zur Tür. Im Augenblick erscheint mir der Gedanke, sie umzubringen, lächerlich. Sie hat mich in ihren Bann geschlagen, und sie weiß es. Den Kopf ein wenig schräg gelegt, flüstert sie mir zu: »Dann werden Sie mich also heute nicht töten?« Die Frage überrascht mich; ich bin sicher, daß sie meine Gedanken erraten hat. Sie beugt sich zu mir vor. »Überlassen Sie den Schmuckhändler mir, dann können Sie mit mir machen, was Sie wollen.« Plötzlich wölbt sie die Hand um mein Kinn und sieht mir in die Augen. »Sie sind ein arhat, warum wollen Sie sich Ihr Karma durch einen sinnlosen Rachefeldzug verderben? Die Welt braucht Sie. Überlassen Sie Ihren Mord einem Teufel.«
Ich versuche, mich ihr zu entwinden, doch sie hält mich am Ärmel fest. »Das erste Mal im Geschäft … Sie haben es gemerkt, stimmt’s? Ich bin Ihre zweite Hälfte, Schätzchen, wenn einer von uns in der Welt ist, muß es auch der andere sein. Ich bin Ihre dunkle Seite. Das wissen Sie. Töten Sie mich, wenn Sie wollen, aber dann bringen Sie auch sich selbst um.«
Sie öffnet die Tür, und plötzlich bin ich wieder draußen, zwischen den chinesischen Porzellangöttern. Ich habe keine Zeit mehr, ihr Fragen über die Wohnung zu stellen, die sie nach Angaben des Mannes im Lands Department auf ihren eigenen Namen erworben hat, und auch nicht über die wertvolle Einrichtung. Das Penthouse hat zwanzig Millionen Baht, eine halbe Million Dollar, gekostet, doch die Jadesammlung auf dem hochglanzpolierten chinesischen Tempeltischchen ist mehr wert. Dann wären da noch all die anderen Artefakte aus Warrens Geschäft, künstlerisch arrangiert auf Podesten, antiken Tischen oder dem Boden, wo man sie leicht mit dem Fuß umstoßen kann, wenn man nicht aufpaßt.
Wie einfach es doch gewesen wäre, sie zu töten! Daß ich Pichai möglicherweise enttäuscht habe, droht, mich niedergeschlagen zu stimmen. Mir bleibt nur eine Hoffnung – daß sie ihn ebenfalls in ihren Bann geschlagen hat.
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Gestern hat meine Mutter einen Boten mit Mustern der neuen, von ihr entworfenen T-Shirts und Tops für den Colonel und mich ins Polizeirevier geschickt. Das Motiv ist bei beiden Oberteilen gleich: Unter dem Hauptschriftzug in Scharlachrot – THE OLD MAN’S CLUB –
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