Der Jadereiter
es ans Einsteigen geht, dirigieren sie mich zum Flugzeug. Der Flug dauert dreißig Minuten; am Zielort erwartet mich eine weitere Limousine, am Steuer der übliche Vertraute Vikorns. Ich werde von Minute zu Minute nüchterner, bis kein Alkoholpuffer mehr zwischen mir und meinen höllischen Kopfschmerzen ist.
Ich bin noch nie in seinem Haus in Chiang Mai gewesen; es überrascht mich, wie weit draußen es sich befindet. Wir fahren etwa zehn Kilometer am Ufer des Ping River entlang, bis wir eine der besten Flußlagen der Welt erreichen. Hin und wieder taucht eines der baumbestandenen Grundstücke mit Herrenhaus, Zugang zum Fluß und Garage für fünf Autos im Immobilienteil der Zeitungen auf. Bei manchen dieser Domizile handelt es sich um renovierte Teakhäuser, bei anderen um Thai-Stil-Imitate, doch die meisten von ihnen orientieren sich an westlichen Luxusanwesen in Malibu oder den Vororten von Los Angeles. Sie gehören alle Gangstern. Die Sommerresidenz des Colonel hat zwei Stockwerke, ein großes, schräges Dach mit roten Schindeln, weiße Wände und Fenster, die vom Boden bis zur Decke reichen. Zwei Cops mit Walkie-Talkies bewachen das elektrische Tor, das sich öffnet, als wir uns nähern.
Vikorns Fahrer steigt aus dem Wagen und schreitet lässig über den Kies, als kehrte er von der Arbeit nach Hause zurück. Der Colonel, der ein lockeres Leinenhemd, eine weite schwarze Hose und alte Lederslipper trägt, kommt an die Tür, von wo aus er mir bedeutet, mich zu ihm zu gesellen. Kaum wahrnehmbare Zeichen – ein leichtes Schlurfen, sein linkes Auge hängt – sagen mir, daß er betrunken ist. Tja, die Sterne standen wohl günstig für den Alkohol letzte Nacht.
Als ich die Tür erreiche, ist nur noch der Fahrer dort. Er führt mich durchs Haus zu einem riesigen Raum mit einem Fenster, das eine ganze Wand einnimmt und auf einen alten Holzlandesteg am Fluß geht. Das dichte Grün des Dschungels über dem trägen braunen Wasser und die beiden Fischer in ihrem kleinen Teakholzboot muten an wie ein Gemälde aus alter Zeit – die Ruhe ist vollkommen, als hätte jemand die Uhr angehalten.
Der Raum ist so groß, daß ich nach ihm suchen muß; er sitzt in einem Ledersessel und schaut, einen Stumpen rauchend, hinaus auf den Fluß. Eine leere Flasche Mekong-Whisky steht auf dem Beistelltischchen. Ich gehe leise über den Teakholzboden und setze mich auf den italienischen Sessel aus weichem, zigarrenfarbenem Leder gegenüber dem seinen. Auf dem Tischchen zwischen uns liegt ein alter Armeerevolver mit etwa dreißig Zentimeter langem Lauf. Der Colonel sieht mich nicht an.
»Du bist wütend auf mich, Sonchai?«
»Sie haben gelogen.«
»Nicht wirklich. Ich habe gesagt, ich kenne keine Frau, die aussieht wie Fatima. Fatima ist keine Frau. Jedenfalls nicht für einen altmodischen Mann wie mich.«
»Sie war Ihr Kontakt für das yaa baa, das Bradley transportierte?«
Er hebt die Arme. »Was sollte ich machen? Ich brauchte doch jemanden. Natürlich hatte ich Bedenken, einen farang zu engagieren, aber als Marine der amerikanischen Botschaft war er über jeden Zweifel erhaben. Wie weit konnte man einem Ausländer trauen? Ich mußte mir jemanden suchen, der ihn für mich im Auge behielt. Ich habe sie zur gleichen Zeit angeworben, als meine Leute sich bereit erklärten, ihn anzuheuern.«
Ich nicke. Das habe ich selbst schon herausgefunden.
»Ich begreife nur nicht, warum Pichai und ich Bradley folgen mußten.«
»Weil ihr beide nun mal wart, wie ihr wart. Damals wußte ich bereits, daß sie vorhatte, Bradley umzubringen, und ich konnte davon ausgehen, daß die Amerikaner eine Untersuchung der Angelegenheit fordern würden. Jeder andere Cop hätte Fatima einfach verhaftet, aber bei euch beiden frommen Buddhisten war mir klar, daß ihr sie nicht zur Verantwortung ziehen würdet, wenn ihr erst mal rausgefunden hättet, was passiert war. Natürlich wollte ich nicht, daß sie im Gefängnis landet, wo meine Feinde sie befragen könnten. Diese Wahnsinnsaktion mit den Schlangen hat mich allerdings völlig überrascht. Das mußt du mir glauben. Ich wußte, daß sie ihn umbringen würde, aber nicht, wie.«
»Sie wußten, daß sie ihn umbringen würde? Und Sie haben Pichai und mich aus Mitgefühl auf die Sache angesetzt? Das begreife ich nicht.«
Er hält die Hand vor den Mund und rülpst. »Ich werde alt, Sonchai. Ich rede sogar wieder mit meinem Bruder, dem ich vor mehr als einem halben Jahr ein Handy geschickt habe. Er schaltet es fast
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