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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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nie ein, weil es ihn in der Meditation stört, aber hin und wieder ruft er mich an, wenn er jemanden im nächsten Dorf dazu bringt, den Akku für ihn aufzuladen. Er hat keinen Strom in seinem steinzeitlichen Kloster. Seiner Ansicht nach kann ich froh sein, wenn ich überhaupt als Mensch wiedergeboren werde, nach dem Leben, das ich jetzt führe. Etwas Besseres als das Dasein eines verkrüppelten Bettlers darf ich mir nicht erwarten. Wahrscheinlicher jedoch ist eine tierische Existenz, vielleicht als Insekt oder irgendeine Art von Ungeziefer. Du weißt ja, daß er ziemlich unbarmherzig sein kann.«
    »Und?«
    »Ich habe ihn um Rat gefragt, als mir klar wurde, was Warren und Bradley mit Fatima vorhatten.«
    »Wie ist Ihnen das klargeworden?«
    »Durch das Video, das die Russenmafia von Warren gemacht hat. Die Russen wollten Warren wegen einer Episode mit einer Prostituierten erpressen, doch es kam die Dokumentation eines Mordes dabei heraus. Warren war verzweifelt, hatte Angst, daß sein Leben ruiniert wäre, und ersuchte seinen Freund Colonel Suvit, sich um die Russen zu kümmern und ihm das Band zu besorgen. Die Urkas machen hier Geschäfte, sie brauchen uns mehr als wir sie, aber Suvit ist nicht gerade diplomatisch. Du kennst ihn ja. Dann bat Warren mich um der alten Zeiten willen um Hilfe – vielleicht hat die FBI-Frau dir das ja schon erzählt? Also mußte ich die Verhandlungen um das Video führen. Offenbar besitzen die Urkas Ehrgefühl. Wenn sie sagen, es gibt nur eine Kopie, kann man sich wohl darauf verlassen. Keine Ahnung, ich habe noch nie mit ihnen zu tun gehabt, doch hier in Thailand arbeiten ziemlich viele Prostituierte für sie, und sie bewegen eine Menge Heroin durchs Land, also ist es ihnen wichtig, daß wir auf ihrer Seite sind. Es war ein kluger Schachzug von Warren, die Verhandlungen über die Rückgabe des Bands uns zu überlassen. Die drei Millionen Dollar, die Warren abzüglich unserer Provision für das Video bezahlte, hätten eigentlich genug sein müssen, um sie zum Schweigen zu bringen. Ich habe das Band bekommen, mich aber geweigert, es Suvit oder Warren auszuhändigen. Suvit war genauso fuchsteufelswild wie Warren, doch was sollten sie machen? Ich habe Suvit gesagt: ›Wir behalten das Video und damit die Kontrolle über Warren. Solange wir es haben, tut er, was wir wollen.‹« Eine Handbewegung. »Aber dann habe ich den Kontakt zu meinem Bruder wiederaufgenommen, und er hat angefangen, mein Gehirn auseinanderzunehmen. Dieses Band, weißt du … Was Warren und Bradley getan haben, ist sehr westlich, sehr brutal, ganz und gar nicht Thai.« Ein Seufzen. »Wir haben etliche Männer umgebracht, du und ich, und soweit ich mich erinnere, keine Frauen. Was macht das schon? Wir haben sie lediglich ein bißchen früher ins nächste Leben befördert als erwartet, für gewöhnlich ohne Schmerz und Leiden.«
    »Was soll das heißen?«
    »Es soll heißen, daß ich sie an der Durchführung ihrer Pläne hindern mußte, auch wenn’s nur um einen Stricher ging.« Ich runzle verwirrt die Stirn, frage mich, ob eine Alkoholvergiftung schuld ist an der Lähmung meiner Hirnfunktionen. »Ich beschloß, meinem Bruder das Problem zu erklären und ihn um Rat zu bitten. Von dem Video weiß er nichts. Er hat einen Tag lang meditiert und mich dann angerufen. Seine Lösung war elegant und radikal, wie der Buddhismus selbst, und bestand aus einem einzigen Satz: Gib ihr das Band. Vielleicht hältst du mich jetzt für einen abergläubischen alten Mann, aber ich habe es ihr tatsächlich gegeben, ein paar Tage vor dem Schlangenmord. Natürlich hat sie sofort begriffen, was los war, als sie das Video mit der armen Russin und dem Goldstift im Nabel sah.«
    Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. »Dann kontrolliert sie Warren also mit diesem Tape und hat ihn gezwungen, nach Thailand zu kommen?«
    »Genau. Wir haben sie alle unterschätzt. Sie hat ihn zu ihrem Sklaven gemacht. Gerechtigkeit im Thai-Stil.«
    »Aber was ist mit Warrens Wachhunden, den Khmer?«
    Ein verächtliches Geräusch tief aus seiner Kehle. »Die hatte sie immer schon im Griff. Warren und Bradley haben sie angeheuert, als die Russen anfingen, Druck auszuüben, aber Bradley konnte nur über Fatima mit ihnen kommunizieren, denn sie sprechen ja bloß Thai oder Khmer. Natürlich kann Warren Thai, doch er ist nicht immer hier, und außerdem trauen sie den farangs nicht. Fatimas Vorfahren hingegen stammen aus dem Dschungel; sie weiß, wie die Leute denken.

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