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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Nacht bei mir sein, bis zu unserem Tod.
    Die Enttäuschung war abgrundtief. Die erste Ahnung davon bekam ich, als ich aus dem Schlafzimmer nebenan eine Reihe wüster Beschimpfungen in Thai hörte, dann ein »Beruhige dich, Schatz, bitte, beruhige dich« von Fritz, weitere Beschimpfungen in Thai, gefolgt vom Geräusch gegen die Wand krachender Gegenstände, ein »du kleine Wilde« von Fritz, wieder und wieder das Wort »Scheißkerl« von Nong, lautes Schluchzen, ein »Aua, du verdammtes Miststück« von Fritz sowie ein »Das wirst du mir büßen, du widerlicher kleiner Affe«, das Knallen der Schlafzimmertür, Nongs Schritte auf der Treppe, das Zuschlagen des Gartentors. Stille.
    Ich vermutete, daß mir eine überstürzte Fahrt zum Flughafen bevorstand, und bereitete mich innerlich auf einen Vierzehn-Stunden-Flug mit meiner wütenden Mutter sowie auf Krung Thep Ende Juli vor – nicht gerade die allerschönsten Aussichten. Offenbar hatte Fritz noch irgendwo eine blonde Geliebte, was Nong mittels einer gründlichen Durchsuchung seiner Taschen herausgefunden haben mußte.
    Aber der Aufruf zur Abreise kam nicht in dieser Nacht, und Fritz hatte sie nicht wirklich betrogen.
     
    In meinem Krankenhausbett denke ich voller Stolz an einen der wichtigsten Augenblicke der Emanzipation im Leben meiner Mutter zurück.
    Am nächsten Morgen trat sie, immer noch wütend, in mein Schlafzimmer, um mir zu sagen, daß ich meine Sachen packen solle, aber keins der Spiele und Bücher mitnehmen dürfe, die Fritz mir geschenkt hatte. Fritz bestand darauf, uns in seinem BMW zum Flughafen zu fahren. Ein vielsagender Dialog durchbrach das Schweigen: Fritz:
    »Ich wollte dich nicht in Gefahr bringen.« Nong: »Warum nimmst du die Koffer dann nicht selbst aus Bangkok mit, wenn es so ungefährlich ist?«
    Am Flughafen öffnete Nong ostentativ unsere beiden Koffer und überprüfte jeden Gegenstand darin. Sie preßte sogar die Zahnpasta aus der Tube, schüttelte Seifendosen und klopfte dagegen, um zu hören, ob sie einen zweiten Boden hatten. Fritz machte sie mit einer sarkastischen Bemerkung über ihre mangelnde Bildung und den Thai-Intellekt im allgemeinen darauf aufmerksam, daß niemand illegale Drogen aus dem Westen nach Thailand schmuggelte. Sie schenkte ihm, ganz sture Thai, keine Beachtung, und checkte, als sie mit der gründlichen Durchsuchung unserer Sachen fertig war, sich und ihren Sohn für den Flug nach Bangkok ein, ohne sich noch einmal umzusehen. Das Kapitel Fritz war damit für sie abgeschlossen.
    Nun, fast. Fritz war in der Bangkoker Barszene kein Unbekannter, und so erfuhr Nong ein paar Jahre später über die dortigen Buschtrommeln, daß er sich wieder das falsche Mädchen ausgesucht hatte, diesmal mit verheerenden Folgen für ihn. Die Frau hatte die Polizei in Bangkok informiert, und jetzt saß er im gefürchteten Bang-Kwan-Gefängnis am Chao Phraya River. Ich schlug vor, ihn zu besuchen. Nong wollte nichts davon wissen. Ich bestand darauf. Vielleicht war Fritz verdorben bis ins Mark, aber einige Monate lang hatte er für mich den besten Vater abgegeben, den ich mir wünschen konnte. Wir stritten uns, ich gewann. Eines schönen Morgens gingen wir zum Fluß hinunter und fuhren mit dem Boot zum letzten Landesteg, von wo aus wir in der Hitze zum Gefängnis trotteten.
    Das Bang Kwan war noch düsterer als erwartet: eine Festung mit Wachturm und maschinengewehrbewaffneten Wachleuten, umgeben von einer doppelten Mauer, dazu der Gestank der Kanalisation, als wir durch das erste Tor schritten, sowie der Hautgout von Gewalt, Sadismus und verkommenen Seelen, als wir das eigentliche Gefängnis betraten. Man hatte Fritz den Kopf geschoren; er wirkte sehr schmal in dem dünnen Gefängnishemd und den Shorts. Um die Knöchel trug er Eisenringe, die mittels einer schweren Kette miteinander verbunden waren, aber er begrüßte meine Mutter und mich mit jenem europäischen Charme von früher, bedankte sich für unseren Besuch und sagte: »Ich möchte mich für mein Benehmen draußen auf dem Flughafen an eurem letzten Tag in München entschuldigen.« Nongs Gesicht blieb hart; sie beschränkte ihre Antwort auf das nötigste. Das Gespräch dauerte keine zehn Minuten.
    Auf dem Heimweg gab meine Mutter zu, daß es eine gute Idee gewesen war, Fritz zu besuchen. Ihrer Ansicht nach hatte der Buddha das Unrecht gegen sie gesühnt, indem er Fritz ins Gefängnis schickte und vor ihr erniedrigte. Als ich wegen der abgasgeschwängerten Luft niesen mußte,

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