Der Jadereiter
unterhält sich mit einem Psychologen über sein Lieblingsthema: Wieso setzen Thai-Männer durch eine Penisvergrößerung mit Silikon und Gel Gesundheit und Potenz aufs Spiel? Die – illegale – Operation ist ausgesprochen schmerzhaft und kann Schwellungen und Infektionen verursachen. Der Psychologe erklärt, daß vor der Begegnung mit westlicher Werbung kein thailändischer Mann auf die Idee gekommen wäre, über die Größe seines Glieds nachzudenken, denn der durchschnittliche Thai-Penis sei genau richtig für die durchschnittliche Thai-Vagina, doch westliche Pornographie und Zigarettenwerbung hätten zu einem ernsthaften Verlust des Selbstbewußtseins geführt. Die Konfrontation mit westlichen Ansichten habe häufig Impotenz zur Folge, sei es durch solche Operationen oder durch chronische Selbstzweifel.
Pisit, lachend: »Zu allem Überfluß kastrieren sie uns also auch noch?«
Psychologe, lachend: »Ja, das könnte man so sagen.«
Einer plötzlichen Eingebung folgend, holt Pisit den Mönch ins Gespräch zurück, um ihn zu fragen, was er von dem eben Gesagten und der westlichen Kultur im allgemeinen hält. Nach dem Dämpfer, den dieser zuvor bekommen hat, ist er jetzt in Zen-Laune, um nicht zu sagen offen sarkastisch: »Der Westen pflegt eine Notfallkultur: Tornados in Texas, Erdbeben in Kalifornien, Windchilis in Chicago, Dürre, Flut, Hunger, Epidemien, Drogen, Krieg gegen alles und jeden – behalten Sie den Meteor im Auge, und wie lange wird es die Sonne noch geben? Wenn man nicht glaubt, alles kontrollieren zu können, gibt es auch keinen Notfall, oder?«
Es klopft an der Tür. Die FBI-Frau ist da.
Auf dem Rücksitz des Wagens beginne ich erneut, ihr zu erklären, warum Meditation bei Ermittlungen hilfreich sein kann, obwohl ich mir nicht so sicher bin, ob ich das, was ich sage, selbst glaube. Vielleicht erliege ich der Versuchung, sie zu provozieren. »Um zu begreifen, warum jemand eines gewaltsamen Todes gestorben ist, kann es sinnvoll sein, sich seine Vorleben genauer anzusehen. Solche Dinge passieren nicht zufällig. Es gibt keine Unfälle und Zufälle.«
»Tatsächlich?«
»Nehmen wir zum Beispiel das historische Amerika: Gab es da viele Bordelle?«
»Im Alten Westen? Klar.«
Ich nicke. »Bradleys Besessenheit vom Sex war mit Sicherheit eine Folge seiner Tätigkeit im damaligen Gewerbe.« Ich runzle die Stirn. »Allerdings erklärt das nicht die Schlangen.«
»Na schön, das Spielchen beherrsche ich auch: Vielleicht hatte er ein Bordell, das auf einem Klapperschlangennest errichtet war? Vielleicht hat er die Zahlungsmoral von Kunden verbessert, indem er ihnen Schlangen ins Bett legte?« Sie schüttelt den Kopf. »Nicht zu fassen, daß ich mich auf so was einlasse.«
»Sie begreifen nicht. Es geht nicht um plausible Hypothesen. Sie müssen den Schwingungen in die Vergangenheit nachspüren. Bradley hatte eine ganz besondere, sehr starke Schwingung. Mein Problem ist, daß seine karmischen Ursprünge nicht in Asien liegen.«
»Wie wär’s mit Mittelamerika? Bei den Azteken, Inkas, Maya? Da gab’s überall Schlangenfetische. Außerdem waren diese Völker unglaublich blutrünstig.«
Ich habe eine Vision von Schlangen in einer Grube, von einem Priester mit Federschmuck, seinen Ringen, der Todesangst des Opfers, der Zikkurat. Mit einem strahlenden Lächeln bedanke ich mich bei Kimberley Jones, die sich mit genervtem Gesichtsausdruck von mir abwendet. Erst nach einer Weile sieht sie mir wieder in die Augen – nicht ohne Mühe, wenn ich ihre Miene richtig deute. »Gut, geben Sie mir ein Beispiel, das nichts mit diesem Fall zu tun hat.«
»Ein Beispiel?«
»Ja, aus Ihrem eigenen Leben, eine Erinnerung an ein Vorleben, die sich für einen realistischen Menschen wie mich eindeutig nachweisen läßt.« Sie schnüffelt kurz.
»Ihre Besessenheit von Parfüm zum Beispiel, die läßt sich doch sicher ein paar hundert Jahre zurückverfolgen. Ich begreife das nicht: Sie können sich kaum die Kleider am Leib leisten, tragen aber ein sündteures Eau de Cologne – oder ist das ein thailändisches Imitat?«
»Natürlich nicht. Imitate fangen nach ein paar Minuten auf der Haut zu stinken an. Das ist ein ganz normales Polo von Ralph Lauren.«
» Ganz normales Polo von Ralph Lauren « , äfft sie mich nach. »Für ungefähr fünfzig Dollar das Fläschchen.« Sie sieht mich erwartungsvoll an, möchte eine Geschichte von mir hören, über die sie sich lustig machen kann.
Ihr Verhalten veranlaßt mich,
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