Der Jadereiter
zweifelsohne eingeflogen von dem Geschäft an der Place Vendôme, wo Monsieur Truffaut die Nase meiner Mutter verführte, auch wenn ihr restlicher Körper sich mit seinen schwindenden Manneskräften nicht mehr erobern ließ. Ich tue so, als müßte ich niesen, um tief einatmen zu können. (Der Geruchssinn ist der animalischste unserer Sinne, hat Monsieur Truffaut mir einmal erklärt, und wie das Tier fällt ihm der Mensch zum Opfer, wenn er sich erst einmal auf das Reich der Düfte einläßt.)
Das erste, was ich sie sagen höre, ist »Guten Morgen«. Voller Freude bemerke ich, daß ihre Stimme – sie klingt weiblich-sanft mit negroidem Einschlag – ganz genau zu ihrer körperlichen Schönheit paßt.
Fatimas Vater war schwarzer, meiner weißer Amerikaner, doch da enden die Unterschiede auch schon. Ich weiß, daß sie den Augenblick genauso empfindet wie ich, während Kimberley Jones höchst professionell ihr Erstaunen darüber verbirgt, sie hier in Warrens Geschäft zu sehen. Ich bekomme nicht viel mit von ihren Ausführungen, daß sie besondere Stücke für ihre Bijou-Galerie in Manhattan sucht. Der Frau, die einmal Bradleys Geliebte gewesen ist, geht es genauso. Die Stimme von Kimberley Jones könnte gut und gerne einen Kilometer entfernt sein, so wenig nehme ich sie wahr. Ich höre nur Fatimas höfliche Antwort: »Ach, wie schön, daß Sie da an uns denken!«
Ich bin erschüttert über ihre Zerbrechlichkeit, die Ahnung eines gewaltigen Verlustes ähnlich dem meinen, eine Erkenntnis, die mir anfangs aberwitzig erscheint, dann aber auf der Hand liegt. Warum habe ich nicht früher daran gedacht?
Eine solche Intensität der Emotionen beiderseits kann nur auf eine tiefe Beziehung in einem früheren Leben zurückzuführen sein, und mir fällt die Äußerung von Kimberley Jones über Seifenopertote ein, die ihre Gespräche nach der Wiedergeburt fortsetzen. Kimberley Jones hält mitten im Satz inne, während ich über den gebohnerten Boden zu Fatima hinüberschwebe. Ich habe das Gefühl, zwischen den Buddhas Walzer zu tanzen, während ich auf thai über Khmer-Kunst plappere, von der ich keine Ahnung habe, genausowenig übrigens wie Fatima. Sie erklärt lachend, daß sie eigentlich nicht hier arbeitet, nur für jemanden eingesprungen ist, um ihrem Chef einen Gefallen zu tun. Nun könnte ich den Namen Sylvester Warren erwähnen, doch ich lasse die Gelegenheit ungenutzt verstreichen. Ich will jetzt nicht übers Geschäft reden.
Kimberley Jones versucht, uns durch den Raum zu folgen; mit Freude sehe ich, daß sie keine Ahnung hat, was läuft. Fatima und ich sind nicht in ein Gespräch vertieft, sondern in viele, vielleicht Hunderte aus Hunderten von Leben. Sie ist mein Zwilling. Die Worte, die wir aussprechen, stehen in keinem Bezug zur Gegenwart, sie sind lediglich Ausdruck unserer Erregung darüber, uns endlich wiedergefunden zu haben. Wie lange ist es her? Hundert Jahre? Tausend? Fatima führt mich in einen fernen Winkel des Geschäfts, neben einer Tür. Ich habe den Eindruck, daß sie mir etwas sagen möchte. Sie hat einen Moment gewählt, in dem Kimberley Jones ein ganzes Stück von uns entfernt ist. Den Bruchteil einer Sekunde sehe ich ein Gesicht in einer leicht geöffneten Tür, dann zieht der Khmer, einer der Freunde von Elijah, sich zurück und schließt sie. Fatima schüttelt den Kopf. Ich nicke, als verstünde ich, was sie meint, doch in Wahrheit bin ich zutiefst verwirrt.
Nach einer halben Stunde ertrage ich die Spannung nicht mehr und mache Anstalten, das Geschäft zu verlassen. Fatimas Körper verabschiedet sich mit einem wei von dem meinen, der den Gruß erwidert. So verneigen sich zwei Marionetten voreinander, während die Puppenspieler in der Ewigkeit einander wissend zulächeln. Kimberley Jones folgt mir zur Rolltreppe. »Was war das denn? Immerhin scheinen Sie sich mit ihr verstanden zu haben. Haben Sie etwas Nützliches herausgefunden? Was ist mit Warren?«
»Wir haben nicht über Warren gesprochen.«
»Aber Sie haben sich ihren Namen und ihre Adresse geben lassen, ihren thailändischen Namen? Wissen Sie, wie sie zu erreichen ist?«
»Nein.«
»Wie wollen Sie sie wiederfinden, wenn sie nicht hier arbeitet? Möchten Sie ihr keine Fragen stellen? Ist sie nicht die letzte Person, mit der Bradley lebend gesehen wurde und somit verdächtig? War das nicht die Frau, die zusammen mit Bradley in dem Wagen saß, den Sie verfolgten?« Sie wirkt verzweifelt. »Wollen Sie denn nicht rausfinden, wer’s
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