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Der Jadereiter

Der Jadereiter

Titel: Der Jadereiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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er sich einmal einen Schuß auf der 42nd Street gesetzt und ist von Bradley hinters Licht geführt worden? Aber welcher Bezug besteht zu dem Mercedes? War er vielleicht Gebrauchtwagenhändler?«
    »Die Python?«
    »Ja. Irgendwie hatte sie einen verschlagenen Ausdruck, eine Ähnlichkeit mit Nixon, finden Sie nicht?«
    Eins zu null für Kimberley Jones. Ich ertrage ihren triumphierenden Blick den Rest der Fahrt ohne Gegenwehr. Als wir in den ersten Stau von Krung Thep geraten, frage ich: »Haben Sie sich die restlichen Abschriften besorgt?«
    »Von den Gesprächen zwischen Elijah und William Bradley? Ja, aber ich habe sie noch nicht alle gelesen. Es ist jede Menge Material, und soweit ich das beurteilen kann, ziemlich langweilig und wenig hilfreich.«
    »Was ist mit den Bändern selbst? Kommen Sie an die ran?«
    »An die Bänder? Als das Eis zwischen den Bradley-Brüdern gebrochen war, haben sie fünf Jahre lang regelmäßig miteinander telefoniert. Das heißt, es sind ein paar hundert Stunden. Wenn Sie unbedingt wollen, kann ich sie besorgen.«
    »Ich hätte nur gern die vom Anfang, wo William noch ziemlich niedergeschlagen ist.«
    »Na schön. Gibt’s einen bestimmten Grund?«
    »Ich möchte seine Stimme hören.« Als ich ihren spöttischen Blick sehe, füge ich hinzu: »Mit der Stimme kann kaum ein Mensch lügen, am allerwenigsten engen Verwandten gegenüber. Die Lügen liegen in den Worten. Ich will wissen, wie er klang, als er mit seinem großen Bruder über den Ruhestand sprach. – Mit dem Bruder, der ihm zwanzig Jahre zuvor etwas über das Leben beizubringen versucht und – jedenfalls nach Williams letzter Erkenntnis – Recht behalten hatte.«
    »Ich werde mein möglichstes tun«, sagt Kimberley Jones. »Ich hasse es, meine linke Gehirnhälfte zu sehr zu strapazieren, aber sollten wir uns nicht allmählich den Mercedes ansehen?«
    Ich schaue zum Fenster hinaus, damit sie nicht merkt, wie ich zusammenzucke.

36
    Cops, die keine Bestechungsgelder annehmen, müssen sich anders über Wasser halten. Pichais außergewöhnliche Fähigkeiten als Schütze führten dazu, daß er bei jeder Schießerei in District 8 mit von der Partie war. Wegen meines guten Englisch werden mir normalerweise die farangs zugeschoben. Unser District ist kein Touristenviertel, weshalb meine Arbeitsbelastung sich in dieser Hinsicht in Grenzen hält: ein stetes Rinnsal von Leuten aus dem Westen, die sich verlaufen haben und entsetzt feststellen, daß sie plötzlich ganz allein sind in der Dritten Welt; ein paar international agierende, auf Drogen spezialisierte Verbrecher – und Jungs wie Adam Ferrai.
    An jenem Morgen läßt Sergeant Ruamsantiah mich ins Vernehmungszimmer holen. Ferrai sitzt bereits auf einem der Plastikstühle, eine Hutnadel in der Augenbraue, einen silbernen Stecker in einem der Nasenflügel, die üblichen Tätowierungen, mehrere Ringe im Ohr, das aussieht wie ein Schnellhefter, und dazu ein Leuchten in den Augen, das mich an einen Außerirdischen denken läßt. Ruamsantiah, ein Familienmensch mit nur einer Frau, der er kompromißlos treu ist, investiert seinen Anteil an Bestechungsgeldern in die Ausbildung seiner Kinder. Er hat nichts gegen Tätowierungen, mag aber keine Nasenstecker, Hutnadeln in der Augenbraue und widerwärtige farangs, die den wai- Gruß nicht kennen und auch sonst nicht wissen, wie man einem anderen Menschen Respekt erweist. Als ich den Raum betrete, lächelt er Ferrai gerade an.
    Der Sergeant sitzt hinter einem Holzschreibtisch, der bis auf eine etwa acht mal acht Zentimeter große Zellophantüte mit Gras, eine leuchtendrote Packung übergroßer Rizla-Zigarettenpapierchen, ein Butan-Feuerzeug und ein Päckchen unserer übelsten Zigaretten der Marke Krung Thip – bestimmt zehnmal gesundheitsschädlicher als das Marihuana – leer ist. Solche Verhöre habe ich schon oft miterlebt; normalerweise erfüllt die Angst des farang- Jungen fast greifbar den Raum. Adam Ferrai jedoch wirkt ungerührt, weswegen Ruamsantiah ihn mit diesem gefährlichen Lächeln ansieht. Ruamsantiahs Schlagstock lehnt an einem Tischbein. Der Sergeant deutet ruckartig mit dem Kinn auf den Jungen, immer noch ein Lächeln auf den Lippen.
    »Ich durchschaue ihn nicht. Vielleicht können Sie mir die Sache erklären. Er ist ins Revier gekommen, hat behauptet, sich verlaufen zu haben, in seinen Taschen nach was gesucht, und da ist das Gras rausgefallen. Ich glaube, er wollte erwischt werden. Soll das ein Trick sein, oder ist er völlig

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