Der Jäger
Nummer von Hellmer.
»Sorry, wenn ich so spät noch störe«, sagte sie. »Aber ich hab vorhin die Gonzalez angerufen und sie gebeten, mir ein Horoskop zu erstellen. Ich wollte dir nur mitteilen, dass ich auch Skorpion-Löwe bin. Und sie hat noch was Interessantes gesagt – unser Mann ist aller Wahrscheinlichkeit nach kein Experte, sondern kennt sich nur oberflächlich mit Horoskopen aus.«
»Und wie kommt sie darauf?«, fragte Hellmer.
»Das erklär ich dir morgen. Ich hab auch noch mal über Lewell nachgedacht. Er ist ein Experte und müsste demnach wissen, dass alle Frauen unterschiedliche Horoskope haben. Die Gonzalez hat mir gesagt, dass außer bei Zwillingen oder bei Personen, die genau zur selben Zeit am selben Ort geboren wurden, kein Horoskop dem andern gleicht. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass er mit den Morden etwas zu tun hat.«
»Ich nicht«, entgegnete Hellmer. »Wir beide wissen, dass der Typ unheimlich gerissen ist. Vielleicht will er uns gerade damit auf eine falsche Fährte locken. Er hat alles abgewägt, weiß, dass wir über kurz oder lang das mit dem Sternzeichen herausfinden werden. Aber …«
»Aber wir können ihm doch bis jetzt nicht das Geringste nachweisen! Sicher, er hat uns belogen, als er gesagt hat, er kenne die Albertz oder die Weidmann nicht. Nur, für mich besagt das noch gar nichts. Was, wenn es jemand aus seinem Bekanntenkreis ist? Sein bester Freund vielleicht, mit dem er über alles spricht, auch über intime Details seiner Klientinnen? Oder es ist sogar jemand, der mit Lewell überhaupt nichts zu tun hat. Kann doch auch sein. Allerdings würden wir dann wieder bei null anfangen. Das ist aber ein Gedanke, den ich gar nicht weiterdenken mag. Trotzdem fahren wir gleich morgen früh zu Lewell. Ich will wissen, weshalb er uns angelogen hat.«
»Wie du meinst. Für mich ist er jedenfalls immer noch der Hauptverdächtige, zumindest so lange, bis er uns vom Gegenteil überzeugt hat. Ich will wissen, was er am Wochenende gemacht hat, wo er gewesen ist und so weiter. Nur wenn er uns ein absolut wasserdichtes Alibi vorlegen kann, nehme ich meine Verdächtigungen zurück. Okay?«
»Wir sehen uns morgen früh«, sagte Julia Durant. »Schlaf gut.« Du irrst dich, Frank, dachte sie, während sie sich auszog und sich unter die Dusche stellte. Du irrst dich gewaltig.
Es war halb zwölf, als sie zu Bett ging. Sie nahm das Buch vom Nachtschrank, das sie seit drei Wochen las und noch immer darauf wartete, dass es spannend wurde. Nach fünf Seiten fielen ihr die Augen zu.
Mittwoch, 20.25 Uhr
Richter saß seit dem Nachmittag an seinem Bericht für die Polizei. Er hatte alle Fakten notiert und war gerade dabei, das psychologische Profil in den PC einzutippen, als die Tür aufging. Seine Frau Susanne trat ins Zimmer, lächelte, kam auf ihn zu und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn.
»Hallo, Liebling, hier bin ich wieder«, sagte sie mit entschuldigender Miene. »Tut mir Leid wegen gestern, aber ich habe bei Isabell übernachtet, weil es sehr spät geworden ist. Ich hoffe, du bist mir nicht böse deswegen«, säuselte sie. Sie sah wieder einmal hinreißend aus, trug ein kurzes pinkfarbenes Kleid, schwarze Strümpfe und Pumps.
»Das macht nichts. Ich hatte sowieso eine Menge zu tun.« Er speicherte den Text, lehnte sich zurück, zündete sich eine Zigarette an und sah ihr in die Augen.
Er wusste, sie hatte nicht bei Isabell übernachtet, dazu kannte er sie inzwischen zu gut und durchschaute sofort, wenn sie ihm etwas vorschwindelte. Es war aber vor allem ihr Blick, der sie verriet und ihm sagte, dass sie bei einem Mann gewesen war. Doch es machte ihm nichts aus, es war unwichtig.
Diese Ehe war ohnehin nur eine Fassade, die er bewusst gewählt hatte. Er hatte sie geheiratet, weil sie äußerlich etwas hermachte und weil sie sich trotz ihrer einfachen Herkunft geschickt in den oberen Kreisen bewegen konnte. Ansonsten ließ er ihr die Freiheit, die sie brauchte, denn sie war wie ein unruhiger Vogel, der es nicht ertrug, in einem Käfig gehalten zu werden.Vielleicht die einzige Eigenschaft, die sie mit Viola Kleiber verband.
»Was habt ihr denn Schönes gemacht?«, fragte er und tat, als ob es ihn interessieren würde.
»Wir waren im Kino und hinterher in einem Lokal. Sie hat mich gefragt, ob ich noch auf einen Sprung mit zu ihr komme, und dann haben wir uns festgequatscht. Dabei ist es so spät geworden, dass ich bei ihr übernachtet habe.« Sie machte ein naives, unschuldiges
Weitere Kostenlose Bücher