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Der Jäger

Der Jäger

Titel: Der Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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sehr viel zu tun.«
    »Was hast du so spät am Abend noch zu tun?«, fragte Jeanette Liebermann. »Du hast doch jetzt keine Patienten mehr, oder?«
    »Nein, natürlich nicht. Ich muss nur für die Polizei ein Täterprofil ausarbeiten, und das kostet eine Menge Zeit. Und die brauchen das bis morgen.«
    »Na gut«, sagte sie enttäuscht. »Dann eben nicht. Aber meine Dreharbeiten dauern nur noch bis Ende nächster Woche, dann bin ich erst mal für drei Monate auf Mallorca. Ich würde dich trotzdem gerne vorher noch mal sehen.«
    »Morgen Abend habe ich alle Zeit der Welt für dich. Wann wollen wir uns treffen?«
    »Um neun?«
    »Also gut, um neun bei dir.«
    »Ich erwarte dich. Und ich lass uns auch was Leckeres zu essen kommen. Versprochen … Und danach machen wir das Gleiche wie am Montag«, sagte sie mit lasziver Stimme. »Bis morgen Abend?«
    »Bis morgen Abend.«
    Er legte auf und streckte sich. Jeanette Liebermann, eine der bekanntesten Schauspielerinnen Deutschlands, eine Frau, zu Hause in Film, Fernsehen und auf der Bühne, eine Frau, die seit ihrem kometenhaften Aufstieg vor fünf Jahren die Schlagzeilen füllte, die laut einer Umfrage zu den begehrtesten und erotischsten Frauen Deutschlands zählte, der Fleisch gewordene Traum aller Männer und von anderen Frauen insgeheim bewundert und beneidet.
    Es war kurz nach Mitternacht, als er die Akten zuschlug und den PC ausschaltete, sich zurücklehnte und gähnte. Er hatte es geschafft, was ihn mit einem gewissen Stolz erfüllte.
    Er stand auf, trank ein Glas Sherry, zündete sich eine Zigarette an. Nachdem er zu Ende geraucht hatte, ging er nach oben, duschte kurz und legte sich zu seiner Frau ins Bett, die noch wach war und den Fernseher an hatte. Sie war nackt, sie schlief immer so. Er legte sich neben sie, sie kuschelte sich in seinen Arm, er spürte ihren warmen Atem auf seiner Brust. Sie sagte nichts, kraulte nur seinen Bauch und ließ ihre Hand allmählich immer tiefer gleiten. Und obgleich er nicht vorgehabt hatte, mit ihr zu schlafen, tat er es doch. Und er war sich schon seit langem im Klaren, dass es ein Vabanquespiel war, ein Spiel mit hohem Einsatz, denn Susanne hatte viele, ständig wechselnde Liebhaber. Aber darüber machte er sich nur wenig Gedanken, er war fünfzig und in einem Alter, in dem er nicht über den Tod oder irgendwelche Krankheiten nachdachte, die er sich unter Umständen zuziehen könnte, wenn er mit ihr schlief. Fatalismus.
    Sie fühlte sich warm und weich an, sie war zärtlich, und er genossihre Berührungen. Er dachte unwillkürlich an Claudia van Dyck und ihre Frage, ob er sie denn liebe. Jetzt, in diesem Moment, merkte er, wie ein angenehmes Gefühl der Wärme in ihm aufstieg, ein Gefühl, das vielleicht so etwas wie Liebe war, Liebe für seine schöne Frau. Und wahrscheinlich hätte er sie auch wirklich lieben können, wenn sie ihm nur zeigen würde, dass auch sie ihn liebte. Aber er wusste, dass eine Nymphomanin nicht lieben konnte. Eine Nymphomanin wie sie liebte nur sich selbst und den Augenblick, die Abwechslung, die Freiheit, auch wenn sie unter ihrem Drang nach ständig wechselnden Abenteuern litt, weil sie nicht in der Lage war, ihre permanent um Sex kreisenden Gedanken beiseite zu legen.
    Er wusste nicht, was wirklich in ihr vorging, was sie dazu trieb, sich in immer neue Abenteuer zu stürzen. Er wusste auch nicht, ob sie krank war, ob eine Fehlsteuerung in ihrem Kopf für ihren unersättlichen Trieb verantwortlich war, aber er hatte auch noch nie ernsthaft mit ihr darüber gesprochen. Er wusste nur, dass er ihr Vater hätte sein können, dass er ihre sexuellen Bedürfnisse unmöglich allein befriedigen konnte. Und deswegen würde auch dies nur eine Beziehung auf Zeit sein. Es war halb zwei, als sie in seinem Arm einschlief, während er noch lange wach lag und nachdachte.

Donnerstag, 6.45 Uhr
     
    Julia Durant wachte von dem nervtötenden Geräusch des Weckers auf. Sie drehte sich auf die Seite, drückte den Aus-Knopf und blieb noch einen Augenblick liegen, um allmählich zu sich zu kommen. Sie hatte tief und fest geschlafen, das Buch lag vor dem Bett. Im Gegensatz zu gestern war der Himmel von einer dicken grauen Wolkenschicht bedeckt, ein leichter Wind wehte durch das gekippte Schlafzimmerfenster herein.
    Sie setzte sich auf, nahm die Flasche Wasser, die neben dem Bett stand, und trank einen Schluck. Dann zog sie die Knie an, legte den Kopf darauf und fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. Sie hatte wieder den

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