Der Jäger
Wochenende, weil ihn das Alleinsein zu Hause zu erdrücken schien, wie Durant vermutete. Und wenn er pensioniert war, was würde er dann mit seiner vielen Freizeit anfangen? Wie viel er trank, wusste sie nicht, sie konnte es nur vermuten. Selbst seine Tochter Andrea, die anfangs nach dem Tod der Mutter ein Halt für ihn gewesen war, konnte ihm nicht helfen. Sie absolvierte gerade eine Ausbildung an der Polizeischule mit dem Ziel, eines Tages als Kriminalpsychologin zu arbeiten. Irgendwie empfand Durant Mitleid für Berger, doch sagte sie sich auch, dass er ein erwachsener Mann war, der selbst wissen musste, was er tat.
Hellmer machte einen unausgeschlafenen, mürrischen Eindruck, während Kullmer Kaugummi kauend und lässig hinter seinem Schreibtisch saß und scheinbar lustlos in ein paar Akten blätterte. »Morgen«, sagte sie, hängte ihre Tasche über den Stuhl und setzte sich. »Liegt für heute irgendwas Besonderes an?«, fragte sie.
Berger schüttelte den Kopf, das Gesicht von lauter feinen roten Äderchen durchzogen, die Augen hatten einen leicht gelblichen Schimmer. »Nicht dass ich wüsste. Sie leiten die Ermittlungen.«
»Gut, ich habe mir nämlich für heute einiges vorgenommen. Ich möchte noch mal raus zu Lewell fahren und ihn persönlich insPräsidium schleppen, außer er sagt uns, was er weiß. Und außerdem will ich Richter fragen, ob er mit seiner Arbeit vorangekommen ist.«
Sie griff zum Telefon und wählte Richters Nummer. Er nahm schon nach dem ersten Läuten ab.
»Guten Morgen, Professor Richter«, sagte sie. »Tut mir Leid, wenn ich so früh schon störe, aber ich …«
»Schon gut«, unterbrach er sie, »ich kann verstehen, dass Ihnen die ganze Sache unter den Nägeln brennt. Ich bin heute Nacht mit dem Täterprofil so weit fertig geworden. Wann passt es Ihnen am besten, dass ich vorbeikomme?«
»Heute Nachmittag? So gegen drei?«
»Kein Problem. Um drei. Aber versprechen Sie sich um Himmels willen nicht zu viel davon. Mit der Adresse und der Telefonnummer des Täters kann ich leider noch nicht dienen«, fügte er lachend hinzu.
»Das habe ich auch gar nicht erwartet. Bis nachher, und schon mal vielen Dank für Ihre Mühe.«
Hellmer hatte sich einen Kaffee eingeschenkt und stand an die Wand gelehnt, hinter sich die große Frankfurt-Karte. Julia Durant sah kurz zu ihm, dann auf die Karte, erhob sich und stellte sich neben ihn. Für einen Moment herrschte Stille im Raum, nur bei Kullmer spielte leise das Radio.
»Sag mal, Frank, die Opfer lagen doch alle in südöstlicher Richtung.« Sie fuhr sich mit einer Hand übers Kinn und steckte sich dann eine Zigarette an. »Hier«, sagte sie und deutete auf die Karte. Hellmer drehte sich um und warf einen Blick auf die Pins, die die Fundorte markierten. »Parkfriedhof Heiligenstock, und ziemlich genau entgegengesetzt davon, aber auch im Norden, die Thomas-Mann-Straße. Dann mehr in der Mitte Grüneburgpark und Rotlintstraße, und hier unten im Süden Kelsterbacher Straße. Geht der Typ eventuell nach einem geographischen Muster vor?«
Hellmer rieb sich über seinen Dreitagebart und zuckte ratlos die Schultern. »Keine Ahnung. Wie kommst du darauf?«
»Weiß nicht, ist nur so ein Gefühl. Die Albertz, die Weidmann und die Müller sind im Freien gefunden worden, und zwar weitab von ihrer Wohnung, aber nicht am Tatort. Die Koslowski und die Kassner wurden aber in ihrer Wohnung umgebracht und auch dort gefunden. Warum hat er die beiden nicht ebenfalls im Freien deponiert?«
»Weil es für ihn die bequemste Möglichkeit war«, bemerkte Kullmer, der plötzlich hinter ihnen stand. »Außerdem muss er doch damit rechnen, dass er irgendwann beobachtet wird. Er ist einfach noch vorsichtiger geworden.«
Die Kommissarin schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Die Müller hat er in der Nacht von Sonntag auf Montag umgebracht und die Kassner nur ein paar Stunden später. In dieser kurzen Zeit ändert einer wie er nicht die Vorgehensweise. Er verfolgt eine bestimmte Strategie, aber welche? Wenn wir die Fundorte miteinander verbinden, könnten wir dann eventuell ein Muster erkennen? Ziehen wir doch einfach mal ein paar Linien. Vielleicht hat es etwas mit der Chronologie der Morde zu tun, denn eines ist sicher, er tötet sie nicht in der Reihenfolge ihres Geburtstags«, sagte sie. Sie nahm einen Bleistift in die Hand und verband die Fundorte miteinander. »Hier, Nummer eins, Heiligenstock, runter zu Nummer zwei, Rotlintstraße, dann zu Nummer
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