Der Jäger
drei, Grüneburgpark, Nummer vier, Kelsterbacher Straße, Nummer fünf, Thomas-Mann-Straße …« Sie ging etwa zwei Meter zurück, machte ein nachdenkliches Gesicht, verzog den Mund und wiegte den Kopf hin und her.
»Das ist weder ein geographisches Muster noch eine geometrische Figur, und wenn doch, dann kenne ich sie nicht«, erklärte Hellmer. »Aber ich war in Mathe sowieso nie gut.«
»Es war einfach ein Versuch. Was ist mit der Entfernung der jeweiligen Fundorte voneinander? Luftlinie, meine ich«, fragte sie.»Moment.« Kullmer holte ein Lineal. »Heiligenstock bis Rotlint dreieinhalb Kilometer, Rotlint bis Grüneburg drei, Grüneburg bis Kelsterbacher gut vier, Kelsterbacher bis Thomas-Mann etwa achteinhalb. Das macht auch nicht gerade viel Sinn«, sagte er mit einem verkniffenen Grinsen.
Durant kaute auf der Unterlippe, sie war wieder angespannt und nervös. »Warum hat er die ersten drei im Freien deponiert und die andern beiden nicht?«
»Weil die andern beiden allein stehend waren und eine eigene Wohnung hatten«, sagte Hellmer trocken und trank seinen Kaffee aus. »Ganz einfach.«
»Die Weidmann hatte auch eine eigene Wohnung.«
»In der hat sie doch mit ihrem Verlobten gewohnt.«
»Der war aber zum Zeitpunkt ihres Todes gar nicht im Land. Er hatte damals für längere Zeit beruflich in den USA zu tun. Das heißt, wenn der Täter gewollt hätte, dann hätte er auch sie in ihrer Wohnung umbringen und dort liegen lassen können. Das hat er aber nicht gemacht, er hat sie erwiesenermaßen nicht in ihrer Wohnung getötet, sondern sie stattdessen etwa zwölf Kilometer entfernt davon abgelegt. Warum so weit von der Wohnung weg? Und warum Erika Müller im Grüneburgpark, was ja nicht ganz ungefährlich ist? Und auch die Rotlintstraße ist ja fast schon Innenstadt, zumindest ist die Friedberger Landstraße, die ja rund um die Uhr stark frequentiert ist, nicht weit davon entfernt. Er hätte ja immerhin gesehen werden können. Ihm kommt es nicht auf Vorsicht an, obwohl er äußerst vorsichtig vorgeht, denn das, was er tut, ist mit einem ungeheuren Risiko verbunden. Er will uns unbedingt etwas zeigen. Und deswegen bin ich überzeugt, dass es ein Muster gibt, und zwar eins, das auch auf der Karte zu sehen ist. Aber was ist es?«
»Vielleicht können wir es nicht sehen, weil er sein Werk noch nicht vollendet hat«, bemerkte Kullmer. »Möglicherweise gibt es tatsächlich ein Muster, aber er hat die Teilchen so unzusammenhängendgelegt, dass wir damit noch nichts anfangen können. Betonung auf noch nichts. Viel interessanter für mich wäre zu wissen, wo er die drei andern umgebracht hat.«
»Das ist genau das, worüber ich mir schon die ganze Zeit den Kopf zerbreche«, sagte Durant. »Es gibt einen Ort, an dem er die Müller, die Weidmann und die Albertz getötet hat, aber der ist nicht identisch mit den Fundorten. Ein Ort, wo er sie stundenoder gar tagelang unbemerkt quälen und letztendlich töten konnte. Was für ein Ort könnte das sein?«
Hellmer verdrehte die Augen, stellte seinen Becher auf den Tisch und zündete sich eine Zigarette an. »Mein Gott, es kommen tausende von Orten in Frage. Ein leer stehendes Haus, ein Keller, eine alte Fabrikhalle, ein Bunker, was weiß ich!«
»Fabrikhalle, Bunker, nein«, sagte Durant mit energischer Stimme. »Seine Opfer haben sich mit ihm in gutem Glauben getroffen. Sie haben ihn schon längere Zeit gekannt, sie haben sich extra für ihn hübsch gemacht. So aufgemacht geht man in keinen Bunker oder eine Fabrikhalle. Aber in ein Haus, vielleicht sogar
sein
Haus. Er hätte genauso gut die Koslowski und auch die Kassner in dieses Haus locken können, aber das war nicht nötig, weil ihre Wohnungen so gelegen waren, dass sie in dieses Muster passen, in
sein
Muster.« Sie hielt inne, überlegte. »Macht doch mal auf dem Computer ein Planspiel. Versucht so viele verschiedene geometrische Formen auf dem Stadtplan herzustellen wie nur möglich. Mit einer, zwei, drei oder einer Million Unbekannten. Vielleicht kommt da ja was bei raus. Die Koslowski und die Kassner sind nicht zufällig in ihrer Wohnung umgebracht worden …« Sie holte tief Luft. »Okay, im Augenblick kommen wir nicht weiter. Frank, wir beide fahren jetzt raus zu Lewell. Ich hab’s mir überlegt, wir holen ihn uns. Wir versuchen es erst im Guten, wenn er dann immer noch mauert, muss er mit aufs Präsidium. Und wenn er nicht freiwillig seine Klientenkartei rausrückt, dann gibt’s eine Hausdurchsuchung.
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