Der Jäger
wie zufällig dort aufgetaucht, als Maria van Dyck ihr fahruntüchtiges Auto gesehen hat, und hat ihr angeboten, sie nach Hause zu fahren. Maria ist völlig unbedarft eingestiegen, weil sie denjenigen gut kannte und kein Misstrauen hegte. So, und jetzt kommt’s. Der Täter hat sie unter einem Vorwand in ein allein stehendes Haus mitgenommen, wo sie ihm hilflos ausgeliefert war. Er hat ihr etwas zu trinken angeboten, das Valium reingeschüttet, sie ist kurz darauf einfach umgekippt. Kein Wunder bei der Dosis. Er hat sie gefesselt und geknebelt, ist wieder weggefahren, hat die Manipulation rückgängig gemacht, ist aus dem Parkhaus gefahren und hat das Auto in der Berliner Straße abgestellt. Danach hat er sich wieder in sein Haus begeben.«
»Und wie soll diese Manipulation deiner Meinung nach ausgesehen haben?«, fragte Hellmer.
»Die einfachste Methode ist, die Luft rauszulassen. Und um den Reifen wieder aufzupumpen, kannst du in jedem gut sortierten Geschäft für Fahrzeugzubehör eine entsprechende Pumpe kaufen. Aber soweit ich weiß, sind in allen größeren Parkhäusern Videokameras an den Ein- und Ausfahrten angebracht. Kannst du mir folgen?«
»Ich glaube, ja.«
»Gut. Wir brauchen die Überwachungsvideos vom Parkhaus Hauptwache, Junghofstraße, Konstablerwache und dem Parkhaus am Frankfurter Hof. Und zwar sofort. Meinst du, wir kriegen die heute noch?«
»Am Samstagabend und dazu um diese Zeit? Keine Ahnung, ob die alle noch offen haben. Fahr hin und versuch die Bänder sicherzustellen.«
»Keine Sorge, das krieg ich schon hin. Wenn wir auch nur auf einem Band sehen, dass die van Dyck in ein Parkhaus gefahren ist, gebe ich einen aus, denn dann muss auch unser Mann reingefahren sein. Und dann garantiere ich dir, packen wir die Drecksau bei den Eiern.«
Sie benachrichtigte kurz Berger, zog sich die Lederjacke über, setzte sich in ihren Corsa und raste los. Auf der Fahrt zu den Parkhäusern legte sie eine Kassette von Deep Purple ein und drehte die Lautstärke hoch. Wenn ihre Theorie stimmte, dann hatte der Täter diesmal den entscheidenden Fehler gemacht.
Als Julia Durant um halb eins nach Hause kam, war aus der Euphorie Frustration geworden. Sie schmiss ihre Jacke zornig auf den Boden, holte sich eine Dose Bier aus dem Kühlschrank, trank sie in einem Zug leer, quetschte die Dose mit einer Hand zusammen und warf sie in den Mülleimer. Sie kochte innerlich. Sie stellte sich ans offene Fenster, atmete ein paar Mal tief einund wieder aus und mahnte sich zur Ruhe. Es gelang ihr nicht. Sie tigerte im Zimmer auf und ab, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und rauchte eine Gauloise nach der anderen. Die Bänder waren vorhanden und von ihr beschlagnahmt worden, aber mit der Sichtung mussten sie bis Montag warten, weil sie nicht auf einem normalen Videogerät abgespielt werden konnten. Die Bilder waren zerstückelt und konnten nur von einem Fachmann zusammengesetzt werden, der allerdings über das Wochenende nicht zu erreichen war.
»Wenn man mal dringend jemanden braucht!«, zischte sie wütend.
Sie duschte kurz, legte sich ins Bett und zog die Decke über den Kopf. Die größte Wut war allmählich verraucht, nachdem sie sich mehrmals gesagt hatte, nicht zu ungeduldig zu sein. Sie schlief tief und traumlos.
Am Sonntagmittag rief sie bei van Dyck an, fragte ihn, ob er eine Gästeliste von den Empfängen und Festen der vergangenen zwei Jahre habe. Er antwortete, es gebe diese Listen, die seien allerdings in seinem Büro, weil seine Sekretärin sie erstellte und die entsprechenden Einladungen verschickte. Sie erkundigte sich noch nach seinem Befinden, er sagte, es gehe ihm einigermaßen gut. Doch an seiner Stimme merkte sie, dass er sich in Wirklichkeit miserabel fühlte. Wie alle, die einen lieben Angehörigen auf solch grausame und sinnlose Weise verloren hatten. Sie wünschte ihm keinen guten Tag, denn dieser Wunsch würde für ihn nicht in Erfüllung gehen.
Montag, 7.45 Uhr
Außer Berger und Frau Güttler war noch niemand im Büro, als Julia Durant hereinkam. Sie hängte ihre Tasche über den Stuhl, sah Berger an und sagte: »Hier sind die Überwachungsvideosfast aller Parkhäuser in der Innenstadt vom Donnerstag und Freitag. Wir müssen nachher unbedingt los und die Bänder sichten. Es gibt nur einen Mann in der Zentrale dieses Parkhausbetreibers, der die zerstückelten Aufnahmen wieder zusammensetzen kann. Wäre ich nicht am Samstagabend noch hingefahren, wären die Bänder gestern
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