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Der Jäger

Der Jäger

Titel: Der Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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bevor er jemanden verletzt. Der einzige Ort, wo er sich durchsetzen kann, ist die Uni, aber die Uni dauert acht, höchstens neun Stunden am Tag. Dann bleiben immer noch fünfzehn oder sechzehn Stunden übrig. Mich hat das jedenfalls alles viel mehr mitgenommen als ihn, glaube ich zumindest.«
    Sie hielt inne, sah Richter mit versonnenem Blick an, erhob sich, ging ans Fenster und schaute hinaus in den Garten.
    »Ich habe dir noch gar nichts von meiner Kindheit erzählt. Das sollte ich vielleicht jetzt tun, damit du die Geschichte besser verstehst. Ich stamme aus einem eher einfachen Elternhaus. Mein Vater war Buchhalter, meine Mutter hat sich um mich und den Haushalt gekümmert. Mein Vater war ein sehr ruhiger, liebevoller Mensch, er war ein Vater, wie man ihn nur selten findet. Er hatte immer ein offenes Ohr für mich, er hat mich nie geschlagen, er hat mich, glaub ich, nicht einmal angeschrien. Sein Ton war stets ruhig und besonnen. Er ging morgens um halb acht zur Arbeit und kam abends um halb sechs wieder nach Hause. Ich weiß nicht viel über die Ehe meiner Eltern, nur, dass meine Mutter des Öfteren Herrenbesuch empfangen hat, wenn mein Vaternicht daheim war. Ich war damals aber noch zu klein, um zu wissen, was sie mit diesen Herren getrieben hat.«
    Sie drehte sich um und setzte sich auf die Fensterbank.
    »Ich war sieben, da hatte sie wohl einen festen Liebhaber, aber das habe ich erst sehr viel später rausgekriegt. Wenn dieser Mann kam, hat sie mich immer auf mein Zimmer verbannt, das am andern Ende des Flurs lag. Sie wurde fuchsteufelswild, wenn ich es wagte, aus meinem Zimmer zu kommen, solange er da war. Also bin ich dringeblieben und habe mit meinen Puppen gespielt, so wie sie das von mir verlangt hat.
    Ich erinnere mich noch genau, als wäre es gestern gewesen, an jenen Tag im Sommer, als dieser Mann, den ich immer nur als Schemen wahrgenommen habe, wieder einmal bei ihr war. Ich habe sie lachen gehört, aber nicht verstanden, was sie gesprochen haben, obwohl ich mein Ohr an die Tür gelegt hatte. Irgendwann waren sie dann im Schlafzimmer verschwunden und hatten die Tür abgeschlossen. Damals hatte ich keine Ahnung, was sie dort trieben, heute weiß ich es natürlich. Sie haben gefickt, sie haben auf Teufel komm raus gefickt! Meine Mutter, die Hure! Und mein Vater hatte keine Ahnung.
    Bis zu dem Tag im Sommer. Ich weiß noch genau, was ich anhatte. Es war so heiß, dass ich mir einen Badeanzug angezogen und fast die ganze Zeit über die Kinder auf dem Spielplatz beobachtet und mir gewünscht habe, bei ihnen zu sein. Aber meine Mutter hatte mir verboten, mit diesem asozialen Pack, wie sie die Menschen dort nannte, zu spielen. Sie hat mich morgens zur Schule gefahren und mittags wieder abgeholt. Wir haben in einem dieser hohen Betonklötze gewohnt, damals etwas ganz Besonderes, weil man vor allem von unserer Wohnung aus einen so guten Blick auf die Stadt hatte. Ich wusste natürlich nicht, dass diese Betonklötze für eher sozial Schwache gebaut worden waren. Achter Stock, ich erinnere mich noch genau. Na ja, an diesem Tag ist mein Vater aus einem unerfindlichen Grund viel früherals sonst von der Arbeit zurückgekehrt. Er kam zu mir ins Zimmer, gab mir einen Kuss und fragte mich, wo meine Mutter sei. Ich habe ihm nur gesagt, dass sie im Schlafzimmer sei. Er ist rausgegangen, wollte ins Schlafzimmer, aber die Tür war wieder einmal abgeschlossen. Dann muss er die Stimmen gehört haben. Er hat gegen die Tür gehämmert und geschrien, sie soll aufmachen. Keiner von ihnen hat bemerkt, wie ich in der Tür gestanden und meine Puppe Laura ganz fest im Arm gehalten habe und wie ich gehört habe, als der Schlüssel umgedreht wurde.
    Meine Mutter war fast nackt, sie hatte nur einen Slip an. Mein Vater hat sie gefragt, was das zu bedeuten hat, aber sie hat ihn nur ausgelacht. Dann kam dieser Mann und hat sich hinter meine Mutter gestellt. Ein Wort gab das andere, mein Vater war einfach fassungslos. Und dieser verdammte Kerl hinter meiner Mutter hat auch nur gelacht. Alle beiden haben sie ihn ausgelacht. Sie haben gelacht und gelacht und gelacht. Ich werde das nie vergessen. Dieser Hohn und dieser unsägliche Spott!
    Mit einem Mal hat mein Vater gesagt, er halte das nicht aus, nicht diese Schande. Entweder er oder dieser Mann. Sie solle sich entscheiden. Und da hat sie wieder nur gelacht und ihn verhöhnt. Sie hat Dinge gesagt, die ich damals nicht verstanden habe oder nicht verstehen wollte, aber es müssen sehr

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