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Der Jäger

Der Jäger

Titel: Der Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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die mit ihrem Mund die reinsten Wunderdinge vollbringen konnte, dann Claudia van Dyck. Immer, wenn er kurz vor der Eruption stand, schaffte sie es jedes Mal im letzten Moment, den Ausbruch hinauszuzögern. Mit einem Mal saß sie auf seinen Schenkeln, rieb sein Glied an ihrem flachen Bauch, den sie wie ihren ganzen Körper im hauseigenen Fitnessraum in Form hielt, und sah ihn herausfordernd an. »Und,möchte dein großer, starker Kerl in meine enge Muschi? Sie wartet nur darauf, von dir besucht zu werden.«
    Der Liebesakt dauerte diesmal weniger als eine Stunde. Schweißperlen standen auf seiner Stirn, er atmete schwer. Er küsste sie, stand auf und zog sich an. Sie zündete sich eine Zigarette an und sah ihm schweigend zu. Sie war nackt, saß im Schneidersitz da.
    »Du musst also schon gehen«, sagte sie mit jenem ihr eigenen Spott, der ihn zur Raserei bringen konnte. Er mahnte sich zur Ruhe, nicht darauf zu reagieren. »Du gehst doch sonst nicht so früh nach Hause zu deiner knackigen jungen Frau, die du doch eigentlich gar nicht liebst. Wie kann man auch eine Frau wie sie lieben, eine, die sich ständig rumtreibt, wie du selbst sagst. Was ist los mit dir? Empfindest du nichts mehr für mich?«
    »Hätte ich mit dir geschlafen, wenn ich nichts für dich empfinden würde? Ich muss nach Hause. Ich habe morgen einen sehr anstrengenden Tag, und dafür muss ich ausgeschlafen sein. Und du bist und bleibst die aufregendste Frau für mich. Es hat nichts mit dir zu tun«, log er, vermied es jedoch, sie dabei anzusehen.
    »Du und einen anstrengenden Tag?«, fragte sie zweifelnd, als würde sie auch diese Lüge durchschauen.
    »Du kannst dir deine Ironie sparen, Claudia. Ich arbeite seit heute mit der Polizei an einem sehr heiklen Fall. Und das ist die Wahrheit.«
    »Oh, du arbeitest also mit der Polizei! Das ist natürlich etwas anderes. Um was geht’s denn?«
    »Tut mir Leid, darüber darf ich nicht sprechen.«
    »Dann nicht. Aber das nächste Mal bist du hoffentlich wieder der Alte. Liebst du mich eigentlich?«, wollte sie für ihn völlig unerwartet wissen.
    »Warum fragst du mich das? Hatten wir nicht ausgemacht, diese Frage niemals zu stellen?«
    »Ich stelle sie aber. Ich liebe nämlich dich, und ich kann nichts dagegen tun. Liebst du mich wenigstens ein bisschen?«
    »Ich bin gern mit dir zusammen«, sagte er ausweichend.
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage. Aber gut, lassen wir’s. Ich kann dich nicht zwingen, mich zu lieben. Aber eines würde mich schon interessieren – liebst du deine Frau?«
    Richter setzte sich auf die Bettkante, streichelte über ihre glatt rasierten Beine mit den rot lackierten Nägeln, den schlanken Füßen, sah auf ihre ebenso glatt rasierte Vagina und stellte sich plötzlich vor, wie jemand kam, ihr eine Schlinge um den Hals legte, fest zuzog und ihr eine Nadel durch die Schamlippen stach. Auch wenn er Claudia van Dyck seit dem Morgen mit anderen, distanzierteren Augen sah, so wünschte er keiner Frau, auch ihr nicht, so zu enden wie die Opfer, deren Bilder und Akten er auf seinem Schreibtisch liegen hatte.
    »He, ich hab dich was gefragt«, sagte sie lachend und stieß ihn leicht gegen die Brust. »Liebst du deine Frau?«
    Richter zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich glaub, ich weiß nicht einmal, was Liebe ist. Ich wünschte, ich wüsste es. Aber ich denke, ich liebe meine Frau nicht.«
    »Du kannst lieben«, entgegnete sie, beugte sich nach vorn und umarmte ihn wieder. »Doch, du kannst es. Du hast nur noch nicht die richtige Frau gefunden. Aber ich bin da, und ich weiß, wir könnten es schaffen. Meine Liebe reicht für zwei.«
    »Ich muss los«, sagte er, stand auf und sah sie ein letztes Mal an. Er hatte sich schon umgedreht, um zu gehen, als sie ihn zurückhielt.
    »Wie läuft’s eigentlich mit Maria? Macht sie Fortschritte?«
    Richter stand mit dem Rücken zu ihr. Am liebsten hätte er ihr ins Gesicht geschrien, was er am Vormittag von Maria erfahren hatte. Warum wolltest du deine eigene Tochter umbringen? Warum? Aber er, der große Psychologe Richter, hatte gelernt, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten und Fragen nur wohl dosiert zu stellen und auch Antworten klug zu überdenken. Und er hatte gelernt zu schweigen, auch wenn ihm dieses Schweigen bisweilenübermäßig viel Kraft abverlangte. Wie jetzt. Macht sie Fortschritte? Ja, seit heute. Und seit heute weiß ich, was du tun wolltest, aber ich weiß noch weniger als zuvor, wer du eigentlich bist. Er hätte es

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