Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser
vorne einen Teller holen. Soll ich die Suppe vielleicht auf den Tisch gießen?«
Galbert schob seinen Teller zu Philipp hinüber. »Nimmmeinen«, sagte er. »Seit wir hier eingetroffen sind, bin ich am Essen. Ich platze bald.«
»Du mußt ja nicht jedesmal den Teller hochhalten, wenn ich mit der Suppe komme«, brummte Bastulf. »Die Speisung ist ein Almosen.«
»Du mußt ihn ja nicht jedesmal füllen«, versetzte Galbert schlagfertig.
»Ich werd’s mir merken«, erklärte Bastulf und füllte Philipps Teller auf. »Wenn du was übrigläßt, gib es ja nicht diesem Kerl«, warnte er.
Philipp zuckte mit den Schultern. »Ich muß sehen, daß es meinen Leuten gutgeht«, sagte er. »Gehört er vielleicht zu dir?«
»Er gehört zu meinem Herrn und untersteht meiner Aufsicht.«
»Ich dachte, er sei der Diener der schönen Dame.«
»Die Dame wohnt für einige Zeit auf dem Hof meines Herrn.«
Bastulf grinste plötzlich und drohte mit dem Finger. »Und ich soll jetzt glauben, daß es der reine Zufall ist, der euch hier zusammenführt?«
Von einem anderen Tisch rief jemand nach Bastulf, und dieser machte Anstalten, dem Ruf nachzukommen. Philipp hielt ihn auf. »Ich möchte mit ihr sprechen«, sagte er. »Das kann ich mir denken. Aber du darfst nicht so einfach in den Frauentrakt hinübergehen.«
»Wie soll ich es bewerkstelligen?«
»Geh zum Bruder Torhüter. Er läßt dich hinaus. Ich werde ihr ausrichten lassen, daß du mit ihr reden willst, und sie zu dir hinausschicken.«
»Ich danke dir.«
»Ich muß jetzt weiterarbeiten«, sagte Bastulf.
»Eines noch: Wenn Johannes zurück ist, möchte ich ihn nochmals sprechen. Kannst du ihm das von mir bestellen?«
»Was täte ich nicht für dich?« seufzte Bastulf und schleppte seinen Kessel davon.
»Der Wirt ist ein aufrechter Kerl«, fand Galbert. »Er hat mich schon dreimal ermahnt, nicht soviel zu essen, und gibt mir doch jedesmal von neuem etwas.«
»Ich weiß.«
»Ist er ein alter Freund von dir, als du noch im Kloster warst?«
»Ja«, erwiderte Philipp. Er löffelte seine Suppe ohne großen Appetit aus, verabschiedete sich von Galbert und ließ sich vom Bruder Torhüter nach draußen befördern.
Das Tor öffnete sich nur wenige Minuten nach Philipp erneut, und Aude trat hindurch. Sie eilte lächelnd auf ihn zu. »Ein unerwartetes Wiedersehen«, sagte sie.
»Was tut Ihr denn hier?«
»Nachdem Ihr Euch davongemacht hattet, habe ich gestern nochmals in der Stadt nach Spuren Geoffrois herumgefragt. Jemand teilte mir mit, er habe sich nach diesem Kloster erkundigt.«
»Was heißt hier: davongemacht?« erkundigte sich Philipp aufgebracht.
»Sagt man nicht so? Ich meinte damit, Ihr wäret ausgewichen, geflohen oder etwas in der Art.«
»Weshalb hätte ich das tun sollen?« Philipp bekämpfte eine dumpfe Ahnung, als ihr Lächeln eine Spur wehmütiger wurde. »Wollt Ihr mir vorwerfen, ich hätte mein Versprechen nicht gehalten? Ich habe einen ganzen Nachmittag mit Euch in der Stadt verbracht auf der Suche nach Eurem Gatten.«
»Ja, und dabei habt Ihr mich die ganze Zeit über an der Herberge vorbeigeführt, in der Ihr übernachtet habt.«
»Hätte ich Euch vielleicht mein Lager zeigen sollen? Und dies hier, werte Aude Cantat aus der schönen Grafschaft Vermandois, ist das Lager, in dem der berühmte, unvergleichliche Philipp zu nächtigen pflegt, wenn er sich in der Stadt aufhält?«
»Philipp, ich weiß alles«, sagte sie. Philipp verstummte und preßte die Lippen zusammen.
»Ich habe mich ein zweitesmal mit dem Wirt unterhalten, in dessen Speisesaal Ihr Geoffroi getroffen habt. Ich fragte ihn, ob er wisse, wohin Geoffroi nach dem Treffen mit Euch gegangen sei. Er verwies mich ganz verdutzt zu jener anderen Herberge, in der Euer Herr eine Kammer besitzt, und wunderte sich, daß Ihr mir nicht davon erzählt hattet. Ob Geoffroi Euch dort nicht mehr hätte angetroffen? Ich begab mich in die andere Herberge. Der dortige Wirt erzählte mir, was vorgefallen war. Er war noch immer wütend.«
Philipp trat gegen den Boden und brummte etwas Unverständliches.
»Warum habt Ihr es mir nicht gesagt?« fragte sie.
»Es geht nur mich und Minstr ... und Geoffroi etwas an«, erwiderte Philipp trotzig.
»Es geht auch mich etwas an, wenn man annimmt, mein Mann sei ein Trunkenbold, ein Betrüger und ein Dieb«, rief sie scharf.
Philipp schwieg dazu. Sie sah ihn eine Weile an und schien auf eine Erwiderung zu warten. Schließlich senkte sie den Kopf. »Erklärt Ihr mir
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