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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Treppenstufe zu setzen. Er schluckte. Die Kerze warf matte Schatten in die Falten des Gewandes, und ihre bedachtsamen Bewegungen modellierten den Umriß ihres Körpers. Die Falten des Kragens verwischten die Form ihrer Brüste, aber das Gewand schmiegte sich eng um ihre Hüften, als sie sich vorwärtsbewegte, und ließ die sanfte Kurve ihres Leibs und den weichen Schatten ihres Schoßes deutlich hervortreten. Philipp beobachtete sie mit weitaufgerissenen Augen. SeinHerz begann wild zu klopfen, als ihm der Gedanke kam, daß sie dabei war, ihn aufzusuchen. Sie erreichte das Ende der Treppe, hob die Kerze ein wenig höher und bewegte sich langsam und vorsichtig auf Philipp in seiner Kaminecke zu. Doch sie wollte ihn nicht wecken; im Gegenteil, sie bemühte sich nach Kräften, ihn nicht aus dem Schlaf zu reißen. Sie hielt eine Hand hinter die Kerze, um das Licht ein wenig auf ihn zu reflektieren, und reflexartig schloß er die Augen und tat so, als ob er schliefe. Er bemühte sich, gleichmäßig zu atmen. Dann fühlte er die leise Wärme, die von der Kerze ausging und sein Gesicht berührte. Der Gedanke, daß sie ihm in ihrem dünnen Nachtgewand so nahe war, sandte einen Schauer in seine Eingeweide; einen Schauer, der sogleich tiefer sank und sich in einer höchst unwillkommenen Erregung in seinen Lenden festsetzte. Er war froh darüber, daß er sich in eine Decke gehüllt hatte und an die Kaminwand gekauert lag. Verzweifelt versuchte er, nicht zu blinzeln. Seine Augen begannen bereits zu schmerzen, als endlich ein kühler Lufthauch über seine Haut strich und das Licht auf seinen Lidern sich zu entfernen begann. Er öffnete die Augen einen vorsichtigen Spalt weit: Dionisia schlich wieder zurück zur Treppe, mit sorgloseren Schritten und schneller diesmal. Der Lichtschein verschwand mit ihr zusammen die Biegung der Treppe hinauf. Ebenso leise wie sie schälte er seine Beine aus der Decke und kroch ihr nach. Was hatte sie vor?
    Philipp hörte das leise Wischen, mit dem sie die Decke zur Seite bewegte, die die Kammer Radolfs vom Saal abtrennte. Das Licht verschwand, als sie die Kammer betrat. Philipp drückte sich gegen die Mauer, gerade außerhalb des Sichtbereichs zum Ende der Treppe, und fluchte, von Wut und Entsetzen gleichermaßen erfüllt. Dionisia ging zuRadolf in die Kammer, und es brauchte ihn keiner zu fragen, was sie dort tat. Er wußte nun, daß Radolf nicht ihr Vater war, aber sie wußte es nicht, und das machte den Akt gleich schlimm. Er kämpfte mit sich, ob er sich zurückziehen oder in die Kammer stürzen sollte.
    Beinahe hätte er den schwachen Schimmer übersehen, der Dionisia begleitete, als sie wenige Augenblicke später wieder in den Saal trat. Noch während sie sich offenbar quer durch den Saal bewegte, wurde Philipp klar, daß sie auch bei Radolf nur überprüft hatte, ob er schlief. Er wartete, bis der Schein der Kerze kaum mehr zu sehen war, dann kroch er die restlichen Treppenstufen nach oben und spähte um den Eingang zum Saal herum.
    Dionisia befand sich vor der Kaminöffnung und sah auf ein Bündel hinunter, das neben dem Kamin lag in der gleichen Art und Weise und fast an derselben Stelle, an der Philipp sich seinen Schlafplatz in der Küche darunter gesucht hatte. Dionisia beugte sich nach unten, und der Lichtschein der Kerze fiel auf Ernsts zerrauften Schopf, eine muskulöse Schulter und einen mit Sehnen und Muskeln dick bepackten Arm, der über einem dichtbehaarten Bärenfell lag. Dionisia hielt ihm die Kerze vor sein in das Fell vergrabene Gesicht.
    Mit einer Bewegung, die einer Explosion glich, fuhr Ernst nach oben. Philipp zuckte erschrocken zusammen und sah das Fell davonwirbeln, bevor Ernst mit zwei geschmeidigen Bewegungen in die Hocke kam, aufsprang, die Kerze packte und davonschleuderte und gleichzeitig mit seinem ganzen Körpergewicht Dionisia niederrang. Er lag schon keuchend auf ihr, als Philipp die Kerze an der jenseitigen Wand des Saales abprallen und zu Boden fallen hörte. Seine Augen waren wie blind in der plötzlichen Dunkelheit.
    »Hört auf«, wisperte Dionisia entsetzt. »Ich bin es nur.«
    Philipp hörte Ernst erstaunt grunzen. Einen Moment lang herrschte Stille, dann wälzte sich Ernst von Dionisia herunter. Die Dunkelheit war noch immer zu tief, als daß Philipp mehr als zwei unkenntliche Gestalten hätte sehen können, die sich im Schatten neben dem Kamin bewegten. Dionisia in ihrem hellen Gewand war ein etwas lichterer Umriß, der sich aus der liegenden Position

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