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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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die vor jedem Platz standen. Sie begann bei Ernst, der ihr mit deutlich hungriger Miene dabei zusah. Er schlürfte die Suppe, noch bevor sich Dionisia den Rest des Kessels in ihre Schüssel gefüllt und gesetzt hatte. Sein Gesicht zog sich ein wenig in die Länge und nahm einen befremdeten Ausdruck an, bevor er dem Geschmack in seinem Mund ein wenig nachzukosten schien und schließlich mit einem beruhigten Schulterzucken den Löffel ein zweitesmal eintauchte. Philipp kostete vorsichtig: Die Suppe hatte den vordergründigen, eisernen Geschmack von Blut. Er rührte darin um. Sie war leer. Radolf löffelte bereits mit ausdruckslosem Gesicht. Dionisia hatte ihre Suppe noch nicht berührt. Als Philipp zu ihr blickte, sah sie mit gespanntem Gesichtsausdruck zu Ernst hinüber.
    »Die Suppe schmeckt sehr gut«, sagte er. Dionisia wandte die Augen von Ernst ab und lächelte ihn dankbar an. In der darauffolgenden, erwartungsvollen Stille blickte Ernst auf und begegnete Dionisias Blick.
    »Ausgezeichnet«, nuschelte er mit vollem Mund. »Nur ... «, er kaute angestrengt auf etwas herum und schob es schließlich mit der Zunge zwischen seinen Lippen heraus. Er griff danach und hielt es sich vor die Augen: ein fast weißer, zähfasrig aussehender Fleischlappen von der Größe eines Daumennagels, den er vergeblich zu zerkauen versucht hatte. Er legte ihn neben seinen Teller. »Nur das hier ist ein wenig flechsig«, sagte er schließlich. »Das tut mir leid«, sagte Dionisia und schien ehrlich besorgt. »Könnt Ihr es wirklich nicht essen?«
    »Ich habe schon eines davon aufgegessen«, beruhigte er sie. Philipp rührte nochmals in seiner Schüssel, ohne etwasHandfesteres als die wolkige Suppe zutage zu fördern. Scheinbar waren die Fleischstücke zur Gänze in Ernsts Portion gelandet. Er warf einen Blick auf das zerkaute, speichelnasse Stück, das neben Ernsts Teller lag, und entschied, daß es das Schicksal vielleicht nicht allzu schlecht mit ihm gemeint hatte. Ernst grinste Dionisia an. »Was ist das eigentlich?«
    »Schweineohren«, sagte Dionisia nach kurzem Zögern und bemühte sich, Ernst gerade in die Augen zu schauen.
    »Schweineohren?«
    »Ich habe eine Blutsuppe gemacht und sie darin gekocht.« »Dem Himmel sei Dank, daß nichts davon in meinem Teller gelandet ist«, knurrte Radolf.
    »Ernst hat eine große Portion verdient; immerhin hat er fast allein den Brunnen gegraben«, erwiderte Dionisia spitz. Ernst sah verblüfft von ihr zu Radolf und zurück.
    »Na und? Hat er dabei nur einen Tropfen Wasser gefunden?«
    »Ich wollte, ich wäre auf Wein gestoßen«, erklärte Ernst.
    »Ich wollte, du wärst auf eine vernünftige Suppe gestoßen.«
    »Vater, Ihr beleidigt mich!« rief Dionisia.
    »Liebe Prinzessin«, sagte Ernst begütigend. »Die Schweineohrensuppe schmeckt vorzüglich. Nur laßt mich Euch für das nächste Mal ein Rezept verraten, bei dem die Ohren geröstet werden. Ihr werdet sehen, daß man auch daran Gefallen finden kann.« Er tauchte den Löffel wieder ein und schaufelte mit einer so deutlich zur Schau getragenen Begeisterung weitere Suppe in seinen Mund, daß Dionisia erleichtert zurücksank und endlich begann, ihre Kreation selbst zu essen. Philipp warf einen vorsichtigen Blick über den Rand seiner Schüssel zu Ernst hinüber undversuchte, sich das Lachen zu verbeißen. Ernst erwiderte seinen Blick und rollte unauffällig mit den Augen.
    Zu Philipps Erstaunen blieb dies der einzige Zwischenfall während des Essens.
    Philipp fand nach dem Essen nur schwer Schlaf, die Anspannung wollte nicht von seinem Körper weichen. Als ein unruhiger Traum, in dem er sich mit Aude zusammen in einer Stadt voll enger Gassen durch die Nacht bewegte, plötzlich von Licht gestört wurde, schlug er erschrocken die Augen auf. Die zitternde, dünne Flamme einer Kerze bewegte sich auf der Treppe, die vom Saal in die Küche führte, herab. Sie beschien Dionisias Gesicht und leuchtete matt auf einem hellen Gewand, das sie trug. Philipp schloß die Augen und dachte verzweifelt: Nicht schon wieder! Doch als er sich erheben wollte, bemerkte er, daß Dionisia noch kein Wort an ihn gerichtet hatte. Er öffnete die Augen wieder. Sie schlich mit vorsichtigen Schritten Stufe um Stufe herab und sah sich ständig in der Küche um. Überrascht erkannte Philipp, daß das helle Gewand, das sie trug, ein Nachtgewand war. Es war dünn; die Kontur ihres Beins zeichnete sich darunter ab, als sie es hob, um den nackten Fuß leise auf die nächste

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