Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser
sowohl für die Hochzeit als auch für die Tauffeier Geld aufnehmen mußte, wie du festgestellt hast. Mein Vermögen war nicht gering, und es reichte für meine Ausrüstung. Ich lernte erst von meinen Kameraden, daß der richtige Weg gewesen wäre, für die Pilgerfahrt von den Juden Geld zu leihen und darauf zu bauen, daß der Papst die Rückzahlung erlassen würde. Als ich zurückkam, besaß ich nichts mehr.« Er zuckte mit den Schultern, eine Geste, die zu der Resignation zu passen schien, die er damals empfunden haben mußte. »Das ist auch der Grund, warum Katharinas Sippschaft ihre Mitgift zurücknahm. Tatsächlich haben sie sie verstoßen – so sieht die Sachlage aus.«
»Dann ist die Geschichte von der widerrechtlichen Erschleichung der Mitgift durch die Verwandten Eurer Frau ...«
»... nicht wahr«, vollendete Radolf. »Der Kardinal weiß darüber nicht Bescheid. Alles, was er weiß, ist meine Version der Geschichte. Bestenfalls glaubt er nicht recht daran, aber er kann die Wahrheit nicht ermessen.«
»Natürlich glaubt er nicht daran«, murmelte Philipp. »Jetzt verstehe ich auch seine Vorsicht. Er weiß zwar, daß etwas faul ist an Eurer Darstellung, aber er kann nicht aus seinerVerpflichtung Euch gegenüber heraus. Also versucht er sich nach Kräften herauszuhalten. Deshalb hat er auch mich engagiert.«
»Aber die Mitgift gehört Dionisia!« rief Radolf und ballte die Faust. »Ich will sie nicht für mich – ich wollte sie niemals für mich. Sie soll aus Dionisia eine interessante Partie machen und ihr einen standesgemäßen Ehemann ermöglichen. Das ist mein Ziel.«
»Woher kennt Ihr den Kardinal?«
»Ich habe ihm einmal einen großen Gefallen getan. Er schuldet mir seine Unterstützung.«
»Während des Pilgerzugs? Habt Ihr ihm das Leben gerettet?«
»Nach dem Pilgerzug«, erklärte Radolf widerwillig. »Und es ging zwar nicht um sein Leben, aber doch um seinen Wanst, wenn man so will. Es gehört sich nicht, darüber zu sprechen; es geht nur ihn und mich etwas an.«
»Ihr hättet mir reinen Wein einschenken sollen«, erklärte Philipp nach einer Pause. »Es hätte uns viel Zeit erspart.« »Ich wollte Dionisia schützen. Sie darf es niemals erfahren. Ich hätte es ihr sagen sollen, als ihre Mutter starb, aber ich konnte es nicht übers Herz bringen. Ich weiß nicht, was sie tun würde, und ich will nicht das Risiko eingehen, sie zu verlieren.« Plötzlich stand er auf und trat auf Philipp zu. Er sah ihm mit flackerndem Blick in die Augen. »Eines sollte dir klar sein: Wenn du Dionisia etwas über ihre Herkunft verrätst, schneide ich dir die Zunge raus und stopfe sie dir in den Hals.«
»Keine Sorge«, sagte Philipp rauh. »An solcher Kost liegt mir nichts.«
»Wirst du mir helfen?«
Radolfs letzte Drohung hatte die Abneigung gegen denMann wieder in Philipp aufsteigen lassen. »Ich werde Dionisia helfen«, sagte er fest.
»Wie immer du es ausdrücken willst.« Radolf kratzte sich am Kinn und fragte dann: »Was wirst du jetzt tun?«
»Ich weiß noch nicht. Die Sachlage ist völlig verändert. Ich muß darüber nachdenken.«
»Denk schnell. Wenn du was gefunden hast, komm wieder hierher.«
»Ihr wollt, daß ich Euch verlasse?«
»Kannst du hier etwas tun für mich?«
»Vorerst nicht.«
»Na also.«
»Wie Ihr wünscht«, sagte Philipp und verließ die Kammer, wütend und enttäuscht. Wegzureiten bedeutete, Dionisia zu verlassen. Von der anderen Seite betrachtet, mochte es von Vorteil sein, Dionisia und sich selbst ein wenig Zeit zum Nachdenken zu geben. Trennung steigert das Verlangen , dachte er, ohne diesem Spruch rechte Freude abgewinnen zu können.
Zumindest kam das Wissen, eine Weile nicht in der Nähe von Radolf sein zu müssen, so etwas wie Freude gleich. Philipp war tatsächlich ratlos, wie er weiter verfahren sollte. Der ursprüngliche Plan war nicht mehr aufrechtzuerhalten: Was immer er anfertigen konnte, würde nicht nur sehr gut sein, sondern auch mit echten Dokumenten konkurrieren müssen. Um unter diesen Umständen einigermaßen erfolgversprechend arbeiten zu können, brauchte er aber mehr Daten, als Radolf ihm liefern konnte. Vielleicht würde er darauf zurückgreifen müssen, was er am zweiten Tag leichthin zu Radolf gesagt hatte; einen Kniff, mit dem die echten Unterlagen die falschen legitimierten. Er hatte keine Ahnung, womit er dies erreichen könnte.
Dionisia hatte es selbst übernommen, aus einem kleinen Kessel Suppe in die hölzernen Schüsseln zu schöpfen,
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