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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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hinten in die Brust gestoßen haben«, sagte er leise.
    »Dann wäre das Messer nach unten und nicht nach obenabgelenkt worden. Er war ein paar Zoll kleiner als Ihr. Wenn Ihr ihn von hinten umklammert und zugestoßen hättet, wäre der Stoß nach unten gerichtet gewesen.«
    Radolf schnaubte schwach.
    »Wer immer Ernsts Tod untersucht, wird zu den gleichen Schlüssen kommen. Abgesehen davon, daß Ihr ohnehin nur von Eurem Hausrecht Gebrauch gemacht habt.«
    Von Ernsts Gestalt ertönte plötzlich ein schabendes Geräusch. Radolf und Philipp fuhren gleichzeitig herum; Radolf sprang auf und zurück und fiel mit hervortretenden Augen rücklings über die Truhe. Irgendein Muskel in dem erstarrenden Körper hatte der Gewichtsverlagerung des Oberkörpers nachgegeben, und eines der angezogenen Beine streckte sich langsam, bis sich der Absatz des Stiefels an einer Holzbohle verfing. Mit entsetztem Gesicht verfolgte Philipp, wie das Bein zur Ruhe kam. Die Bewegung löste einen anderen Muskel in Ernsts Oberkörper, und mit einem schwachen Laut kam ein letzter, angestauter Hauch aus der toten Lunge.
    »O Gott«, kreischte Radolf und kam in einem Wirbel aus Armen und Beinen in die Höhe. Er taumelte gegen Philipp; als dieser ihn unwillkürlich festhalten wollte, riß er sich los und stolperte davon. »Er kommt zurück«, keuchte er. »Er kommt zurück.« Als er die Wand des Saals erreichte, blieb er stehen und drückte sich mit dem Rücken dagegen, während seine Augen aufgerissen an Ernsts Leiche hingen, jetzt wieder still, wieder tot.
    »Es hat nur ein Glied nachgegeben«, beruhigte Philipp ihn – und gleichzeitig sich selbst. »Der Mann ist tot.«
    »Wir müssen ihn so schnell wie möglich begraben«, stieß Radolf hervor. »Am besten mit dem Gesicht nach unten, damit er sich nicht aus dem Grab wühlen kann. Du mußtmir helfen. Ich darf ihn nicht berühren, damit mein Geruch nicht an seinem Körper haftet, wenn er zurückkommt und er mich so finden kann.«
    Philipp trat einen Schritt auf Radolf zu, aber dessen Augen ließen den Leichnam nicht los. Philipp machte noch einen Schritt, bis er dicht vor Radolf stand und die Sicht auf Ernst verdeckte. Radolfs Blick änderte sich nicht; er ging durch Philipp hindurch, und gewiß sah er die verdrehte Gestalt des Toten noch so deutlich vor Augen wie vorher. Er zitterte am ganzen Körper, und auf seinem Gesicht schimmerte trotz der Kühle ein Schweißfilm. Er strömte einen durchdringenden Geruch nach Angst aus.
    »Radolf«, sagte Philipp scharf. »Ihr müßt Euch beruhigen. Die Toten kommen nicht wieder. Höchstens in Träumen.« Radolfs Blick fokussierte sich schlagartig auf Philipp.
    »In Träumen?« stieß er hervor. »In Träumen? Was weißt du schon? Ich habe ihn gesehen, immer wieder, die ganze Zeit über habe ich ihn gesehen. Er stand im Schatten der Kapelle, in der Nacht auf dem Kranz des Turms, im Morgengrauen in einer Ecke meiner Kammer. Er wollte mich holen, aber alleine war er zu schwach. Jetzt ist er nicht mehr allein. Er hat Gefährten bekommen.«
    Philipp kniff die Augen zusammen und bemühte sich, aus Radolfs entsetztem Gesicht den Sinn seiner Worte herauszufinden. »Von wem redet Ihr?«
    »Wir müssen ihn so schnell wie möglich unter die Erde bringen. Das verwirrt sie. Es dauert eine Weile, bis sie in ihren Körper zurückkehren. Wenn sie sich dann im Grab finden, beginnen sie sich auszugraben. Deshalb müssen wir ihn mit dem Gesicht nach unten hineinlegen.«
    »Ihr glaubt doch nicht im Ernst daran, daß die Toten sich aus der Erde herausschaufeln können!«
    »Wenn es sie nach den Lebenden dürstet, schon.«
    Dann scheinen die Toten nicht viel Verlangen nach den Lebenden zu haben , dachte Philipp, sonst würden viel mehr von ihnen draußen herumlaufen. Wie herum mochte wohl Radolfs Frau in ihrem Grab liegen? Hat Radolf seinen Aberglauben von den Dörflern oder sie den ihren von ihm?
    »Tu nur noch dies eine für mich«, keuchte Radolf. »Hilf mir, ihn unter die Erde zu schaffen. Danach kannst du gehen.«
    »Und Dionisias Erbteil?« fragte Philipp unwillkürlich.
    »Es bedeutet nichts mehr«, murmelte Radolf. »Hilf mir, und danach kannst du uns verlassen.«
    »Ich werde den Teufel tun«, versetzte Philipp. »Ihr solltet Euch endlich beruhigen. Danach überlegen wir gemeinsam, was wir mit Ernst anstellen. Ich sehe inzwischen nach Dionisia. Wo ist überhaupt das alte Weib?«
    Radolf schüttelte den Kopf. Philipp wartete darauf, daß er das Kopfschütteln wieder

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