Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
paar Schritte laufen, dann zügelte er es wieder und drehte es zurück. Diesen Tanz vollführte er noch einmal, sich auf die Lippen beißend vor Unentschlossenheit. Er wußte, daß er nicht willkommen sein würde; Radolfs Worte hatten ihm deutlich gezeigt, daß er im Moment und ohne eine Lösung für sein Problem auf dem Besitz nicht erwünscht war. Auch Dionisia würde nicht vor Entzücken in Ohnmacht fallen, da war er sicher. Jeder wollte ihn an einem anderen Ort haben als in Radolfs Haus: Radolf, Dionisia, Ernst (der diesem Ansinnen vor den Ohren des Roßknechts deutlich Ausdruck verliehen hatte), der Roßknecht, wahrscheinlich auch die Alte, für die er nur zusätzliche Arbeit bedeutete.
    Wahrscheinlich gab das den Ausschlag: daß ihn alleanderswo hinwünschten. Abschieben ließ er sich nicht. Er wendete sein Pferd ein letztes Mal um und ritt zurück.
    Am Rand des Waldes, nicht weit von der Straße entfernt, standen drei Köhlerhütten im Kreis zueinander, und Philipp schaffte es bis dorthin, als die Sonne endgültig im Westen hinter den Horizont tauchte. Die Familien scharten sich um ihn zusammen, als er absaß und um ein Nachtlager nachfragte. Die Köhler waren von freundlichem Mißtrauen und schienen nicht sicher zu sein, ob er der Spitzel von Banditen war, der sich bei ihnen einnisten wollte, um sie auszukundschaften. Ihm die Gastfreundschaft zu verweigern brachten sie jedoch nicht über sich, und so legten sich die meisten Männer der Familien mit ihm zusammen in der einen Hütte schlafen, während in den anderen beiden die Frauen und Mädchen schliefen, zwei Männer als Wächter vor den niedrigen Türen liegend. Philipp warf sich inmitten des Geruchs nach Rauch, verbranntem Holz und ungewaschenen Körpern hin und her, lauschte entnervt dem Trommeln des Regens und dem Schnarchen links und rechts neben sich und verwünschte sich dafür, überhaupt von Radolfs Besitz aufgebrochen zu sein. Die Nacht schien ihm endlos. Als die Köhler ihn in die Seite stießen und danach gähnend in den kalt-feuchten Morgen hinauskrochen, war er mehr als erstaunt, daß die Zeit dennoch vergangen war.
    Der Pferdeknecht war wie üblich nicht anwesend. Philipp hastete über das Gras zum Eingang des donjons und die Treppenstufen hinauf, um der Nässe zu entkommen. Der Regen hatte die Temperatur abgekühlt; trotzdem war die Luft, die ihm aus dem Inneren des Gebäudes entgegenkam, noch um einige Grade klammer. Als er den Saal betrat, eine düstere Öffnung in der ebenfalls düsteren Vorkammer, begrüßte ihn das Haus mit dem üblichen Schweigen.
    Radolf saß im Saal auf einer Truhe, den Blick zu Boden gerichtet. Dionisia war nirgends zu sehen. Radolfs Haar war wild zerzaust. Bei Philipps Eintreten blickte er auf. Sein Gesicht leuchtete vor Blässe. Ernst lag vor ihm auf dem Boden.
    Philipp trat näher und stellte fest, daß Ernst tot war. Ein Rinnsal von Blut, lächerlich dünn für den wuchtigen Körper des Mannes, war auf den Holzbohlen getrocknet.
    »Ich habe Dionisia oben eingesperrt«, erklärte Radolf mit erstaunlich klarer Stimme.
    »Was ist passiert?« flüsterte Philipp.
    Radolf deutete auf den leblosen Körper vor sich. Ernst trug sein Lederwams mit den Metallplättchen. Er lag halb auf der Seite, halb auf dem Bauch, die Beine angezogen. Sein Gesicht war gegen den Boden gerichtet und der Kopf zwischen die Schultern gezogen, seine Arme unter dem Leib versteckt. Er sah aus, als sei ihm kalt.
    »Er hat mich angegriffen. Ich habe ihn erstochen.«
    »Wann?«
    »Heute morgen. Er stürzte sich auf mich. Ich konnte ihm das Messer entwenden.« Radolf stieß mit dem Fuß an einen Gegenstand zwischen seinen Füßen: Ernsts gewaltigen Dolch. Radolf mochte überrascht gewesen sein, aber er hatte soviel Geistesgegenwart besessen, die Waffe nach dem Stoß wieder herauszureißen. Die Klinge war mit dunklen Flecken bedeckt. »Es hat eine Zeitlang gedauert, bis er tot war. Ich habe das Herz nicht richtig getroffen.«
    Philipp schluckte. Radolf wandte den Blick ab und ließden Kopf hängen. Über seinen Nacken zogen sich tiefe, blutverkrustete Kratzwunden wie Furchen in der blassen Erde eines Ackers. Der Kragen seines Wamses war dunkel vor Blut.
    »Er hat Euch schlimm zugerichtet«, sagte Philipp. Es ist ein Wunder, daß du überhaupt noch lebst. Warst du noch schneller als er, oder hat er nicht mit ernsthaftem Widerstand gerechnet? Radolf hob eine Hand und fuhr mit einem Finger über die Wunden.
    »Das? Das war nicht Ernst. Das war Dionisia.

Weitere Kostenlose Bücher