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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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ihrer Begeisterung nicht angesteckt, sondern widerwillig seiner Aufgabe entgegensehend.
    Der Markt hatte die Ankunft der Bauern, die üblicherweise im frühen Morgengrauen vor den Toren der Stadt standen, den Arbeitsbeginn der Handwerker nur wenig später und den in der Regel ganz zuletzt erfolgenden Aufbau der Stände der Fernkaufleute bereits überstanden und befand sich auf dem Höhepunkt seiner Hektik, als Philipp mit den beiden Knechten in Köln eintraf. Der typische Geruch des Marktes hing bereits über der Menge: die Ausdünstungen der Zugochsen, der schwere Erdgeruch der Rüben, an denen noch der Boden haftete, die Exkremente, die Tier und Mensch gleichermaßen fallen ließen (die einen mehr, die anderen weniger öffentlich), der Staub, den die Füße der Marktbewohner aufwirbelten. Mit demGeruch stiegen auch die Stimmen der Feilschenden auf, die sich um den Preis der Waren stritten, untermalt vom Brüllen der Zugochsen und begleitet vom monotonen Piepen der Küken, die eng zusammengedrängt in Holzkisten durcheinanderwimmelten. Die Marktschreier, die entweder für ihre eigenen Waren oder die Leistungen anderer warben und sich gegenseitig mit anzüglichen Spaßen zu überbieten suchten, schrien sich die Kehlen wund, während sich Bettelmönche mit demütiger Beharrlichkeit durch die Menge schoben und leise Dankgebete murmelten für die Gaben, die sie erhielten. Mit ebensolcher Beharrlichkeit schoben sich auch Beutelschneider durch die Menge; was ihnen in die Hände fiel, wurde nicht von Danksagungen begleitet. Die Handwerker, die entweder innerhalb ihrer Häuser oder einfach an einer Hausecke auf dem Boden ihrer Arbeit nachgingen, hatten ebenfalls ihre Mittel und Wege, auf sich aufmerksam zu machen. Die Schuhmacher klopften Lederflecken auf ihren kleinen Ambossen flach, die Schnurmacher und Seildreher ließen die zu dünnen Zöpfen geflochtenen Schnurpeitschen knallen, die Steinmetze hämmerten auf ihr Rohmaterial ein, die Töpfer befestigten Schnurren an ihren Töpferscheiben. Die Korbflechter, in Ermangelung eines Werkstücks, mit dem sich genügend Krach erzeugen ließ, sangen. Die Schmiede – es waren wenige, die sich innerhalb peinlich gefügter Grenzen die Stadtviertel untereinander aufteilten – hatten es nicht nötig, sich den Blicken des Volkes darzustellen; der Schmied konnte es sich leisten, stolz im Halbdunkel seiner feuerflackernden Höhle auf seine Kundschaft zu warten. Das feste Wissen jedes Kunden, daß jeder zweite Schmied mit dem Teufel im Bund war und die damit verbundene Ehrfurcht rechtfertigte diese herablassende Zurückgezogenheit – das und die Tatsache, daß das Klingen seiner Hämmer auch über die Distanz hinweg mühelos allen Lärm übertönte, den die minderen Handwerker veranstalten konnten. Am leichtesten von allen hatten es die Bader und Doktoren, denn den Krach, der die Aufmerksamkeit auf sie lenken sollte, verursachten ihre Kunden selbst, wenn sie an den Haken hingen, die eine sehnige Hand in ihren faulen Zahn getrieben hatte. Dazwischen konnte man vom Wasser her das Geklopfe der Wassermühlen vernehmen, die zu Dutzenden im Rhein schwammen, das Pochen der Eisenhämmer und das laute Knarren der Mahlwerke. Verhältnismäßig schweigsam inmitten all dieses Tuns waren nur die Fernkaufleute, die an den Seiten von Altem Markt und Heumarkt, unter steinernen Arkaden oder unter großen Zeltdächern, ihre Waren aufgebaut hatten: Salz und Gewürze, getrocknete und eingelegte Fische, Zucker, Zimt und Safran, Töpfereien, Schnitzereien, Webprodukte, Seidenstoffe, Eschenholz und Damaszener Stahl. Sie schienen sich für ihresgleichen mehr zu interessieren als für die Bürger, die vor ihren Waren standen und mit bedenklichem Gesichtsausdruck ihre Geldbeutel in der Hand wogen.
    Doch auf geheimnisvolle Weise schienen die auf dem Markt versammelten Menschen der dunklen Wolken gewahr zu werden, die die Propheten am Horizont aufsteigen sahen. Inmitten des Lärms und des Treibens gab es Augenblicke der Beklommenheit, als würden alle gleichzeitig einhalten und auf das befangene Schlagen ihrer Herzen hören. Selbstverständlich entstanden diese Pausen nicht wirklich; aber jeder, der mit demselben Gefühl der Bedrückung ob des ungewissen Ausgangs des Kampfes zwischen Kaiser und Papst Teil der Menge war, hatte das Gefühl, sie wahrzunehmen. Dies galt für die Anbieter wie für die Kunden, die die Produkte prüften, wogen, berochen, bedrückten und endlich kauften oder liegenließen, und es galt

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