Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
Dafür hat der Priester sie als Ketzerin hingestellt, ihr eine eiserne Maske aufsetzen lassen, damit sie nicht sprechen kann, und wartet darauf, daß Gott sie während dieser drei Tage und drei Nächte niederstreckt oder ihre Unschuld beweist.«
    Die Herren und Damen zuckten mit den Schultern, es war ihnen deutlich anzusehen, daß sie der Empörung des Kaplans nicht recht zu folgen vermochten. Allein auf denKardinal schien die Schilderung Eindruck zu machen: In die ungewisse Stille, die nach der Rede des Kaplans folgte, polterte sein Messer auf den Tisch. Er starrte Thomas mit gesträubten Augenbrauen an. Der Kaplan sah ihm ins Gesicht; der Kardinal erwiderte den Blick mit blitzenden Augen. Sein Mund war nur eine dünne, weiße Linie.
    Thomas sagte: »Die gerichtliche Untersuchung der Ketzerei ist allein dem Bischof vorbehalten; die Bestrafung oder die Einberufung eines Gottesgerichts obliegt der weltlichen Gerichtsbarkeit, und es ist dazu ein ordentliches Inquisitionsgericht mit Notaren und Gerichtsdienern vonnöten – ganz abgesehen von der Tatsache, daß Kaiser Frederico nichts von Gottesgerichten hält und sie verboten hat. Statt dessen wurde ein Dorfgericht eingesetzt, und da sich keinerlei Zeugen für ihre Schuld fanden, das Gottesurteil angerufen. Was hier aber als Gottesurteil hingestellt wird, ist für mich Folter, und ich frage Euch in aller Demut, Exzellenz: Wenn selbst die päpstliche Inquisition in den letzten zwanzig Jahren ohne sie ausgekommen ist, darf sie dann von einem Dorfpriester angemaßt werden, und wenn er noch so sehr vom Glauben an die Richtigkeit seines Tuns durchdrungen ist? Die Verurteilte wurde am Pflock angebunden und muß dort die ganze Zeit ohne Schutz vor der Witterung ausharren.«
    Der Kardinal erhob sich langsam. Seine Augen hatten das überraschte Funkeln verloren und schienen jetzt durch die Versammelten hindurchzublicken. Zwischen seinen Brauen stand eine Falte.
    »Wer hat diese Geschichte von den Geißlern erzählt?« fragte er.
    »Ein fahrender Händler.«
    »Ist es eine große Gruppe, oder sind es nur wenige?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte der Kaplan befremdet.
    »Und du weißt auch nicht, wo sie sich befinden?«
    Thomas zuckte mit den Schultern und starrte den Kardinal an, als hätte er Mühe, seine Worte zu verstehen. Philipp blickte zu Boden; das überraschte Nichtbegreifen des Kaplans tat ihm beinahe weh.
    »Ein durchziehender Händler, der von Dorf zu Dorf wandert, ist zu finden«, murmelte der Kardinal. Plötzlich fuhr er herum und wandte sich an Philipps Herrn. »Ich habe noch zu arbeiten«, sagte er. »Könnt Ihr mir Feder und Pergament bringen lassen?«
    »Sicherlich.«
    »Ich danke Euch«, sagte der Kardinal und stapfte mit großen Schritten davon. Als sei es ihm in letzter Sekunde eingefallen, drehte er sich innerhalb des Palasteinganges um, verbeugte sich hastig und rief: »Ich danke für die Gesellschaft. Der Herr behüte Euch.« Er war im Palas verschwunden, noch bevor jemand antworten konnte.
    Thomas starrte ihm verwirrt hinterher. Die Ritter tauschten Blicke untereinander; dann sagte einer von ihnen laut: »Habt ihr schon gehört, daß die englischen Gecken sich neuerdings die Haare färben und sich Schleifen in ihre Locken binden?«
    Als Philipp am nächsten Morgen aufbrach, war der Kardinal bereits fort; abgereist noch vor dem Morgengrauen und ohne seine Abmachung einzuhalten, zusammen mit Philipp in die Stadt zu reiten. Seine Geschäfte schienen eiliger gewesen zu sein, als sie sich am Vortag dargestellt hatten, oder etwas in der Geschichte des Kaplans hatte sie beschleunigt. Man hatte Philipp nicht einmal geweckt, umdas Fortkommen des Kardinals zu überwachen. Wie es schien, hatte dieser noch gestern abend seinen Gaul satteln und zur Abreise vorbereiten lassen. Er hatte seine Schlafkammer heimlich verlassen wie ein Mann in großer Eile. Philipp wartete auf einen Kommentar seines Herrn zu diesem Verhalten, der nicht kam. Schließlich wandte er sich seiner eigenen Abreise zu. Er nahm sich zwei Männer, Seifrid und Galbert, als Begleiter, um eventuell getätigte Einkäufe wieder zurücktransportieren zu lassen. Sie strahlten über die ganze Breite ihrer Gesichter, als sie erfuhren, daß sie Philipp auf den Markt begleiten durften, und malten den Zurückbleibenden unter dem Gesinde die zu erwartende Aufregung eines Markttages in glühenden Farben, während sie sich reisefertig machten. In ihrer Begleitung verließ Philipp das Gut kurze Zeit später, von

Weitere Kostenlose Bücher