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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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in seine Hand fallen. Philipp schloß die Finger darüber und schluckte mit trockenem Hals.
    »Willst du sie mir wiedergeben?« flüsterte er.
    Das Mädchen ließ ihren Arm fallen und starrte ihn an. Ihre Lippen zitterten, als wollten sie Worte formen.
    »Ich weiß nicht, was du von mir willst, wenn du es mir nicht sagst«, stieß Philipp hervor. »Ich kann dir nicht helfen.«
    »Ihr wißt genau, was sie will und wie Ihr ihr helfen könnt«, sagte Aude in seinem Rücken. Philipp drehte sich um. Das Mädchen schaute jetzt zu Aude auf, die hinter ihm stand. »Und was wäre das?« fragte er bissig.
    »Geht zur Seite, Ihr gefühlloser Klotz«, sagte sie. Sie trat näher an das Mädchen heran, raffte ihre Röcke und hockte sich ebenfalls vor ihr auf den Boden. Zu Philipps Erstaunen wich das Kind nicht zurück, nicht einmal, als Audebeide Arme ausstreckte. Er hörte sie etwas murmeln und erkannte plötzlich, daß es weniger eine Rede als vielmehr ein Lied war, das sie mit unterdrückter Stimme sang. Er konnte die Worte nicht verstehen; es schien in ihrer Muttersprache zu sein. Das Mädchen lauschte ihr mit aufgerissenen Augen. Sie trat einen Schritt auf Aude zu und befand sich jetzt in Reichweite ihrer Arme. Sie machte einen weiteren Schritt. Aude hätte sie jetzt umfangen können, aber sie tat es nicht. Schließlich trat das Mädchen so nahe an sie heran, daß ihr schmutzstarrender Kittel Audes Kleid berührte. Sie ließ die Arme steif an beiden Seiten ihres Körpers herabhängen und schwankte. Aude nahm sie vorsichtig in die Arme und drückte sie leicht an sich. Das Gesicht des Mädchens verschwand im Stoff ihrer Schulter. »Das ist das Mädchen, das den Überfall auf Lamberts Familie überlebt hat«, sagte Philipp.
    »Ich weiß. Die Wächter haben es mir gesagt.«
    »Sie ist stumm.«
    Aude antwortete nicht. Sie hielt das Mädchen noch immer leicht in ihren Armen. Dann hörte Philipp das Geräusch. Es klang wie das Keuchen eines kranken Tieres und wurde immer lauter. Aude drückte den mageren Körper fester an sich. Philipp machte einen Schritt auf sie zu. Das Kind ist krank, es hat das Fieber, dachte er erschrocken und überlegte, sie und Aude voneinander zu trennen. Aude wandte ihm ihr Gesicht zu, und Philipp sah, daß ihre Augen in Tränen schwammen. Er sah, daß der Körper des Mädchens zuckte. Ihre Hände waren jetzt zu Fäusten geballt und krallten sich in den Stoff von Audes Kleid. Plötzlich wurde Philipp klar, daß das Geräusch ein verzweifeltes Schluchzen war. Ohne nachzudenken, kniete er sich neben Aude auf den Boden und legte ebenfalls die Arme um denzuckenden Körper. Er spürte die Bruchstücke des Steins in seiner Faust und ließ sie zu Boden fallen. Das Kind begann lauthals zu weinen und wühlte sich zwischen sie hinein, als wolle es sich dort eingraben und niemals wieder hervorkommen. Ihre Blicke trafen sich und hielten sich fest; Audes Gesicht war tränenüberströmt. Philipp wußte, daß ihm ebenfalls die Tränen in die Augen treten würden, wenn er sie noch lange ansah. Er schloß die Augen und senkte den Kopf und fragte sich nicht, was die Wächter im Hintergrund wohl aus ihrer Vorstellung machten.

Aufbruch
    S ie war nicht stumm; das Entsetzen hat sie nur verstummen lassen«, sagte Aude, während sie am folgenden Morgen in die Stadt ritten, Galbert, noch immer mit umwölktem Gemüt, hinter sich. »Nachdem sie geweint hatte, redete sie wie ein Buch.«
    »Ja«, knurrte Philipp, »und so wissen wir jetzt, daß Radolf und Lambert das Heilige Land niemals betreten haben. Was sie während der Zeit des Pilgerzugs taten, kann niemand ahnen, aber daß sie zusammen einen Mord an einem der Heimkehrer verübt haben, steht fest. Ein Glück, daß sie seine Beichte belauscht hat.«
    »Ich weiß nicht, was diese Information Euch nützen soll.« »Sie erklärt mir einiges über Radolfs Charakter. Sein erstes Wort an mich war, ob ich mich vor den Toten fürchte. Später bezog ich diese Äußerung auf seine Frau. Dabei fürchtet er sich noch immer vor dem Geist des Mannes, den er damals umgebracht hat.«
    »Ich bin froh, etwas über Geoffroi erfahren zu haben.«
    »Wenn er es war, den Lambert mehrmals bei Radolf gesehen hat. Ihr solltet berücksichtigen, daß die Beschreibung des Mannes von einem Mädchen geliefert wurde, das wiederum die Beschreibung Lamberts nur belauschte und gleich danach das größte Entsetzen erlebte, das man sich vorstellen kann.«
    »›Ein hagerer, blaßgesichtiger Franke, der immer zu

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