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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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nicht über mich, sie fortzuziehen oder daran zu denken, daß die Strafe für mein Tun in einem ganzen Jahr strengen Fastens bestehen würde, wenn ich es dem Priester beichtete. Dann stellte ich plötzlich fest, daß der Knecht seine Fische schon lange gefangen hatte und aus dem Fluß gestiegen war und arglos auf das Gebüsch zukam, in dem ich lag. Voller Schreck sprang ich auf, anstatt mich zu verstecken, und stand direkt vor ihm. Er zuckte zurück und sah mich erschrocken an. Sein Oberkörper perlte vor Nässe und seine Hosen klebten eng an seinen Beinen. Er starrte mich an, und ich starrte zurück. Irgend etwas mußte sich ihm mitgeteilt haben, denn ich sah – ich kann nicht beschreiben, mit welchen Gefühlen –, wie sich hinter dem nassen Schamtuch etwas zu regen und anzuschwellen begann. Er tat nichts, um es zu unterdrücken, er sah mich nur an, mit erstaunten Augen und geöffnetem Mund.«
    Aude seufzte und zuckte mit den Schultern. »Wir liebten uns im Gebüsch, drei – oder viermal, bis er nicht mehr imstande war, sich ein weiteres Mal zu regen. Danachhatte ich meine Unschuld verloren, aber ich trauerte ihr nicht nach. Ich beichtete es auch nicht. Ich ängstigte mich eine Woche lang, daß er mich geschwängert haben könnte, aber ich hatte Glück. Später, als ich Geoffroi heiratete, nahm ich mir ein Herz und erzählte ihm noch vor unserem ersten Beisammensein, was passiert war. Er sagte, ich hätte recht getan. Ich hatte Angst davor gehabt, es ihm zu erzählen, aber ich war immer seiner Meinung gewesen: Ich hatte recht getan. Nichtsdestotrotz passierte es niemals wieder. Es gab nur diese eine Gelegenheit. Ich sah den Mann täglich, aber ich fühlte mich nicht mehr zu ihm hingezogen. Ich werde ihm aber ewig dankbar sein, daß er nie etwas davon weitergab.«
    Philipp sagte: »Weshalb habt Ihr mir diese Geschichte erzählt?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht wollte ich ein Geheimnis mit Euch teilen. Vielleicht wollte ich Euch erklären, daß vieles von dem, was man tut, nicht unrecht ist, wenn man es selbst akzeptiert und akzeptieren kann.« Sie lächelte schief. »Pierre Abaelard.«
    »Es ist nichts passiert zwischen Johannes und mir«, sagte Philipp rauh.
    »Das spielt keine Rolle. Vielleicht hättet Ihr gewollt, daß etwas passierte, vielleicht nicht – es ist vollkommen egal. Ich bin sicher, Johannes hätte es gewollt, aber was immer geschah, er hat es akzeptiert. Wer es nicht akzeptierte, wart Ihr. Er hätte Euch seine Liebe gegeben, auf die Art und Weise, wie er dazu fähig war, aber Ihr habt sie ausgeschlagen, weil Ihr Eure eigenen Gefühle dabei nicht annehmen konntet. Dabei waren Eure Gefühle da; Ihr konntet nichts dagegen tun. Ihr müßt die Gelassenheit finden, das anzunehmen, was Ihr nicht ändern könnt, und die Stärke, Euchgegen das aufzulehnen, was zu ändern ist. Und die Weisheit«, schloß sie mit halbem Lächeln, »das eine vom anderen zu unterscheiden.«
    »Was soll das?« rief Philipp. »Meine Eltern haben mich als Säugling vor der Klosterpforte ausgesetzt. Wollt Ihr mir einreden, ich hätte das auch akzeptieren sollen? Ich war es, der nicht akzeptiert wurde!«
    »Sie haben Euch vermutlich nicht gern dort abgegeben. Vielleicht waren sie zu arm, um ein weiteres Kind zu haben.«
    »Kinder sind der einzige Reichtum der armen Leute. Sie wollten mich nicht, das ist alles.«
    »Ich denke, sie hatten einfach Angst.«
    »Angst? Wovor?«
    »Davor, daß sie Euch nicht aufziehen konnten. Davor, daß sie Euch nur ein Leben in Armut und Schmutz, ein Leben des Hungers, der Krankheiten und des frühen Todes hätten bieten können. Davor, daß Euer Leben in Schande verlaufen wäre. Habt Ihr schon einmal daran gedacht? Daß Eure Mutter Euch vielleicht in Schande empfangen hat? Hättet Ihr gern als namenloser Bastard eines namenlosen Hörigen gelebt?«
    Philipp lachte ärgerlich. »Ich glaube, Ihr wollt mir wirklich noch einreden, daß ich auch das zu akzeptieren hätte. Warum nehmt Ihr sie in Schutz?«
    »Weil ich glaube, daß vieles, was einem weh tut, nur aus der Angst der anderen Menschen entspringt.«
    »Irgend jemand hat einmal gesagt, Schmerz und Unrecht entsprängen aus der Schwäche des Menschen.«
    »Was ist Angst anderes als Schwäche? Und was ist Schwäche anderes als eines der Geschenke, die der Herr seinen Geschöpfen mitgegeben hat? Ja, ich bin der Meinung, daßjeder seine eigene Schwäche akzeptieren muß. Und wenn Ihr es wissen wollt: Ja, ich bin der Meinung, daß Ihr es akzeptieren

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