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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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dir verraten, warum ich für Giovanni Partei ergriffen habe und nicht für den Kaiser«, sagte er. »Nicht nur, weil er mein Freund war. Nicht nur, weil ich das Gefühl hatte, die Kirche würde diesmal aus dem Konflikt als Sieger hervorgehen und ich in der zu erwartenden schweren Zeit nicht auf der Seite des Verlierers stehen wollte. Natürlich spielte das eine Rolle – ich habe eine Verantwortung, dem Gesinde gegenüber, den Bauern und Hörigen, dir ...« Er stockte einen Moment. »Die Wahrheit ist, daß ich herausgefunden habe, daß keiner besser ist, weder der Kaiser noch der Papst.«
    »Der Kaiser ist immerhin derjenige, der hier betrogen wird«, erwiderte Philipp heiser.
    »Philipp, die einzigen, die betrogen werden, sind wir. Giovanni hat keine Originaldokumente über Karolus Magnusfälschen lassen, weil es gar keine Originaldokumente gibt. Karolus selbst ist eine Erfindung des Kaisers.«
    Wenn Raimund erwartet hatte, daß Philipp überrascht aufsprang, sah er sich getäuscht. Aude hatte im Schlaf zu murmeln begonnen, und Philipp strich ihr so vorsichtig über den Kopf, als berühre er ein zartes Gespinst aus Spinnfäden. Raimund seufzte.
    »All die Geschichten um Karolus, sein Kriegszug gegen die Sachsen, der Kampf gegen die Mauren in Hispanien, der Kanalbau, die Einigung des Reichs, seine Bauten und wirtschaftlichen Umwälzungen – Kaiser Barbarossa hat damit angefangen, diese Märchen zu verbreiten, und Kaiser Heinrich und Kaiser Frederico haben damit weitergemacht. Die salomonischen Gerichtsurteile von Karolus – nichts als ein Spiegelbild von Kaiser Frederico und seinen Mühen, eine gerechte Justiz zu fördern. Der große Kanal – ein Projekt, das Kaiser Rotbart angefangen und niemals vollendet hat, weil es für einen Menschen zu groß ist. Karolus’ Leidenschaft für das Schachspiel: In Wirklichkeit ist Frederico der große Schachspieler, und zu Karolus’ Zeiten dürfte man das Spiel hier noch gar nicht gekannt haben. Alles so dünn, so unbeholfen. Ich frage mich jetzt, wie jemand wirklich glauben kann, daß es Karolus gegeben hat. Ein derartiges Reich, wie er aufgebaut haben soll, eine derartige Menge an Bauten, geistigen und philosophischen Errungenschaften: All das soll sang- und klanglos verschwunden sein? Sein Reich wurde geteilt und zerfiel, ja; das kennt man, und das haben die Kaiser auch geschickt in ihre Fälschung mit einbezogen, als sie erklären mußten, warum erst wieder unter dem ersten Kaiser Otto und seinen Erben so etwas wie eine Kultur entstehen konnte, die diesen Namen auch verdient. Aber jedes zerfallende Reich, und sei es noch so unbedeutend, hatmehr über seinen Untergang hinweggerettet als das angebliche Reich des Karolus Magnus. Es gibt noch nicht einmal eine wirkliche Grabstätte; die Pilger verehren die Knochen eines Namenlosen in einem funkelnden Schrein. All die Geschichten von den Graböffnungen durch Kaiser Otto das Kind, Kaiser Barbarossa und Kaiser Frederico, von dem unverwesten Leichnam mit der goldenen Nasenspitze und den Büchern, die er im Arm hielt – alles erlogen. Die Kirche mußte die Erfindungen nur noch ausschmücken und für ihre Zwecke umgestalten. Als ich das erfuhr und mir klar wurde, daß die vergangene Größe, auf der wir unsere Begriffe von Treue und Loyalität aufbauen, nichts ist als eine schnöde Vorspiegelung, beschloß ich, daß meine Loyalität nur noch der Gegenwart dienen würde, und die Gegenwart, das ist mein Besitz, mein Gesinde, das bist du ...«
    »Ich wundere mich, daß es Euch schwerfallen sollte, mit einer falschen Vergangenheit so wie bisher weiterzumachen«, sagte Philipp ätzend. »Immerhin habt Ihr mehr als zwanzig Jahre nichts anderes getan.«
    Raimund verstummte und sah ihn an. Philipps Gesicht war voll falschem Gleichmut.
    »Die ganze Zeit über wollte ich nichts sehnlicher, als wissen, wer mein Vater war. Ich ahnte nicht, daß ich mit ihm unter einem Dach lebte«, sagte er rauh.
    »Du wirst mir viel verzeihen müssen«, flüsterte Raimund.
    »Ich dachte immer, meine Mutter sei eine Dirne gewesen, die mich aus Versehen empfangen hatte. Tatsächlich war meine Mutter nicht nur eine Dirne, sondern auch noch eine Ehebrecherin und eine Gattenmörderin.«
    »Du darfst sie nicht richten«, stieß Raimund hervor. »Sie hat Fehler gemacht, aber sie beging sie nicht, weil zuviel Zorn in ihr gewesen wäre, sondern immer nur zuvielLiebe. Sie liebte auch dich, von ganzem Herzen, sie liebte dich schon, als sie noch mit dir schwanger war und

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