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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Zuletzt senkte der Sänger stumm den Blick.
    »Ich nehme Euer Angebot an«, sagte Minstrel.
    »Gut.«
    Philipp bückte sich und schnürte die Lederriemen um seine Waden. Minstrel sah ihm von der Seite her zu, dann wandte er sich um und betrachtete den Raum. In ihr Schweigen klangen die Geräusche, die von den anderen Schläfern jenseits der Kammer kamen und die sich wie Philipp auf den Tag vorbereiteten: das Rascheln von Kleidung, Husten und Räuspern, die klinkernden Geräusche von Taschenverschlüssen und Gürtelschnallen und das alberne Kichern, das auf einen unverständlichen Scherz folgte.
    »Woher wußtet Ihr, wo Ihr mich finden würdet?« fragte Philipp.
    »Vom Wirt des Gasthauses, in dem wir uns gestern trafen. Er schickte mich hierher; der hiesige Wirt schließlich zeigte mir den Weg zu Eurer Schlafkammer. Euer Herr scheint tatsächlich viel für Euch übrig zu haben.«
    Philipp stand auf, um in sein Wams zu schlüpfen. »Die Schatten kriechen heran«, sagte Minstrel. Philipp fuhr herum.
    »Was meint ihr?«
    »Die Dunkelheit nähert sich, und Ihr wißt es, Meister Philipp; habe ich recht?«
    Philipp fühlte, wie sein Herz heftig zu schlagen begann. Der Raum schien plötzlich finsterer geworden zu sein.
    »Ich glaube nicht, was der Prophet voraussagt«, sagte Philipp heftig. »Das Ende der Zeiten ist noch nicht gekommen.«
    »Es ist das Ende der Unschuld«, sagte Minstrel, »das gekommen ist. Wir haben einen Weg gefunden, sogar Gott zu betrügen.«
    »Was wollt Ihr nur mit diesen dunklen Reden sagen?« rief Philipp. »Die Truhe, aus der jemand das Böse befreit hat; die Teufel, die bereits unter uns sind; und daß Ihr Eure Seele verkauft hättet.«
    Minstrel lächelte verloren; er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und schien seine Bemerkung zu bereuen. »Vergeßt es«, sagte er. »Wenn alles gutgeht, werdet Ihr nie erfahren, was damit gemeint ist.«
    »Wem habt Ihr Eure Seele verkauft?« drängte Philipp. »Habt ihr Euch einem Dämon verschrieben?«
    »Viel schlimmer«, seufzte Minstrel. »Ich habe mich dem Herrn der Hinterlist verdingt.«
    Die abschließenden Gespräche über die neuen Bestellungen mit Rasmus, dessen Geschäftstüchtigkeit ihr gestriger gemeinsamer Besuch des Badehauses keinen Abbruch tat, zogen sich eine Weile hin, und als sie beendet waren, bestand Rasmus auf einem neuerlichen Besuch der Örtlichkeit. Philipp konnte ihn nur mit Mühe abwehren. Danach stellte ihn Rasmus einem befreundeten Händler vor,der am nächsten Tag nach Nürnberg aufbrechen wollte und dessen Karawane sich Philipp für einen Teil der Strecke zu Radolf hinaus anschließen konnte, damit er so wenig wie möglich allein und ungeschützt reisen müsse. Als er am späten Nachmittag zu der Herberge zurückkehrte, stand der Wirt bereits mit zwei Bütteln vor der Tür und drang klagend auf ihn ein. Einer der Büttel war der Wachführer der Rotte, die für die Einhaltung der Ordnung in den Herbergen und Badehäusern zuständig war. Philipp kannte ihn; sein Name war Rutger, ein junger Mann in Philipps Alter, der zwischen seinem Neid auf Philipps bessere Stellung und der Anmaßung seiner eigenen Machtbefugnisse, zwischen Bequemlichkeit und Arbeitseifer, zwischen Arroganz und Servilität hin und her schwankte. In seinen ausgeglichenen Tagen war er ein zuverlässiger Wachführer und in seinen freien Stunden ein zum Spott aufgelegter, aufgekratzter Saufkumpan. Rutger hatte sich die Sachlage bereits zurechtgelegt: Wie es schien, hatte Minstrel die Zeit zwischen Philipps Aufbruch und dem Mittagläuten, während derer sich niemand im Schlafsaal aufgehalten hatte, dazu genutzt, sich heimlich davonzustehlen. Zuvor jedoch hatte er das Lager aus Farnkräutern heruntergerissen und durchwühlt und alles umgeworfen und zerschlagen, was sich zerstören ließ.
    »Einen ordinären Dieb habt Ihr mir ins Haus gebracht, Meister Philipp«, sagte der Wirt anklagend. »Jetzt könnt Ihr diese Nacht noch nicht einmal hier schlafen.« Philipp machte keine seiner üblichen scherzhaften Bemerkungen; er gab seine Aussage für Rutger ab, der ihn halb teilnahmsvoll, halb spöttisch betrachtete, bezahlte den Schaden schweigend mit dem Geld, das ihm Raimund für seine Einkäufe mitgegeben hatte, und ging zurück zur Unterkunftder Händlerkarawane, um die Nacht vor ihrem gemeinsamen Aufbruch mit ihnen zusammen zu verbringen.
    Während Philipp in der Stadt seinen Aufbruch vorbereitete, von ebensoviel pochendem Zorn auf Minstrels Tat wie auf seine eigene

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