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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Tatsächlich war es nur ein Glücksfall, daß es frei war und er es Euch für die Nacht zur Verfügung stellen konnte.«
    Er machte eine einladende Geste, und Minstrel trat auf das Bett zu. Er setzte sich, bückte sich ächzend zu der Wasserschale, die davor auf dem Boden stand, und wusch sich die Hände. Mit gebeugtem Rücken und Händen, die über die Schüssel baumelten und dort abtropften, blieb er sitzen und seufzte.
    »Den Grund dafür kann ich Euch nennen«, sagte er. Aus der Nähe wirkte er noch spitzer als sonst. Er lächelte Philipp müde an. Neben dem Lager stand eine Schale mit Kardamomsamen auf dem Boden, die Philipp am Morgen zu kauen pflegte, um den schlechten Atem abzutöten; Minstrel faßte hinein und schob sich einige davon in den Mund.
    »Die Frau des Wirts hat ein kleines Kind geboren«, sagte er. »Vor nicht länger als drei Wochen. Es schlief mit in demselben Raum. Wenn es denn schlief.«
    Philipp runzelte die Brauen.
    »Versteht Ihr«, sagte Minstrel und breitete die Hände aus. »Ich bin nicht undankbar, ganz und gar nicht. Ohne Euch hätte ich im Rinnstein übernachten müssen, und zweifellos hätte mir der erste dahergelaufene Vagabund das Fell über die Ohren gezogen. Es ist nur ...«
    »... daß Euch das Kind die ganze Nacht über wach gehalten hat«, vollendete Philipp mit spöttischem Grinsen.
    Minstrel strich sich durch sein wirres Haar und sagte: »Die Frau des Wirts war noch erschöpft vom Wochenbett und hatte den Schlaf einer Toten, und der Wirt selbst scheint taub zu sein.«
    »Das heißt, Ihr mußtet den Wirt aufwecken, damit er das Kind zum Schlafen brachte«, lachte Philipp.
    »Das heißt«, sagte Minstrel resigniert, »daß ich zweimal selbst aufstand und den kleinen Wurm auf meinen Armen wiegte, bis er sich beruhigt hatte, weil weder seine Mutter noch sein Rabenvater erwachten.«
    Philipp begann schallend zu lachen. Als er sich beruhigt hatte, sagte Minstrel: »Das dritte Mal wurde ich von der Tochter des Wirts aus dem Schlaf gerüttelt, die mich bat, das Kind nochmals zu beruhigen, weil sie selbst auch nicht schlafen könne. ›Weck deinen völlig tauben Vater‹, knurrte ich, ›es ist sein verdammtes Kind.‹ Sie sah mich von unten herauf an und sagte: ›Aber Herr, bei Euch wird es viel schneller ruhig. ‹«
    Philipp brach lachend auf dem Lager zusammen. Minstrel schaute auf ihn hinab und machte ein säuerliches Gesicht. Der übermütige Funke, der in seinen Augen tanzte, strafteseine Miene jedoch Lügen. Zuletzt zog er ein abgeschabtes, vielfach benutztes Pergament aus seinem Wams und hielt es Philipp hin.
    »Was ist das?« fragte Philipp und wischte sich die Tränen aus den Augen.
    »Ein Schuldschein«, erklärte Minstrel. »Ihr habt meinen Wein und mein Lager bezahlt, und ich habe den Wirt gefragt, wieviel Ihr für mich ausgelegt habt. Der Schuldschein lautet über diesen Betrag.«
    Philipp faltete das Pergament auseinander und spähte hinein. Was einmal darauf gestanden hatte, war mit Bimsstein abgerieben worden, und die ursprünglichen Buchstaben waren Schatten zwischen den jetzigen Worten. Minstrel hatte in geschwungener fränkischer Schrift einen Text aufgesetzt, der seine Worte bestätigte.
    »Ihr habt nichts zu verschenken«, sagte Minstrel. »Also nötigt Euch keinen Widerspruch ab. Was ihr für mich getan habt, hätte kein zweiter getan, und es tut Eurer Freundestat keinen Abbruch, wenn ich Euch das Geld wiedergebe, das ich Euch schulde. Für mich ist es zugleich eine Möglichkeit, mein schlechtes Gewissen zu beruhigen und Euch nochmals Dank zu sagen.« Philipp nickte und steckte den Schuldschein ein.
    »Was werdet Ihr nun tun?« fragte er.
    »Ich habe nach dem Mittagläuten ein Treffen mit einem ... wichtigen Mann. Ich werde ihn bitten, mir Eure Auslagen zu ersetzen. Sobald ich das Geld habe, komme ich hierher und händige es Euch aus.« »Und bis dahin?«
    »Bis dahin werde ich Euren gestrigen Rat befolgen und mich irgendwo außerhalb der Stadt schlafen legen. Ich fühle mich ein wenig erschöpft.«
    »Warum nehmt Ihr nicht das Lager hier?« fragte Philipp.
    Minstrel sah ihn an.
    »Mein Herr bezahlt diesen Raum«, erklärte Philipp. »Wenn ich in der Stadt bin, steht er mir zur Verfügung. Er hat niemals gesagt, daß ich das Lager nicht jemandem anbieten dürfe, den ich kenne. Wenn es Euch Sorgen bereitet, könnt Ihr mir ja einen weiteren Schuldschein ausstellen.«
    Minstrel schwieg, und Philipp erwartete die Frage, weshalb er ihm nochmals helfen wolle.

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