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Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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mußt bis zum Abend warten.«
    »Ich kann nicht warten«, erwiderte der Händler. »Mein Esel ist lahm, deshalb bin ich erst jetzt eingetroffen. Ich muß jedoch schnell in die Stadt weiter; morgen beginnt dort der erste große Markt des Jahres, und ich muß mir beim Rat die Erlaubnis holen zu verkaufen.«
    »Bleib doch, bis alle vom Feld zurückkommen. Wir haben schon auf dich gewartet.«
    Der Händler schüttelte den Kopf und lächelte.
    »Ich muß mich beeilen. Ich komme wieder vorbei, wenn der Markt zu Ende ist. Außerdem habe ich etwas gesehen, was ich unbedingt dem Stadtrat erzählen muß; wenn er davon erfährt, gibt er mir die Erlaubnis vielleicht etwas billiger, und ich möchte vermeiden, daß mir jemand zuvorkommt.«
    »Was ist es denn so Wichtiges, das du gesehen hast?« fragte Agnes.
    Der Händler trat einen Schritt auf sie zu, sah sich unwillkürlich um und raunte dann: »Von euch kommt ohnehin niemand in die Stadt, also kann ich es dir ja erzählen. Es ziehen Geißler durchs Land.«
    »Was sind Geißler?«
    Der Händler stutzte nur einen Moment über Agnes’ Frage. »Fromme Leute, die sich öffentlich peitschen, um die Leiden des Herrn an sich selbst zu erfahren.«
    »Warum tun sie das?«
    Die Augen des Händlers blitzten auf.
    »Sie sagen, das Ende der Zeiten sei gekommen. Sie kündigen die Wiederkehr des Herrn an. Das Jüngste Gericht; den Untergang der Welt.«
    »Wenn die Welt untergeht, warum hast du es da noch eilig, zur Stadt zu kommen?« fragte Agnes unbeeindruckt. Der Händler warf beide Arme in die Höhe und machte ein begeistertes Gesicht.
    »Weil es in der Stadt immer ein paar Verrückte gibt, die solche Geschichten glauben und ihr gesamtes Hab und Gut verkaufen, um in einem Kloster Buße zu tun. So billig wie von diesen Unglücklichen kann man nie mehr etwas erstehen. Was meinst du, in welchen Massen die Leute an die Klosterpforten hämmern werden, wenn ihnen die ehrwürdigen Geißler erklären, daß das Ende der Welt bevorsteht? Deshalb drängt es mich, zur Stadt zu kommen. Wenn ich der erste bin, der die Nachricht verbreitet, habe ich die besten Kaufaussichten.«
    Der Händler zog weiter, und Agnes erledigte, was immer sie in das Dorf zurückgeführt hatte. Doch die Geschichte von den frommen Männern, die sich die Rücken blutig schlugen, um auf das Leiden Christi und seine baldige Wiederkehr hinzuweisen, und der nahende Untergang der Welt beschäftigten ihre Gedanken den ganzen Tag über. Sie beschäftigten sie in solchem Maß, daß sie in der Nacht, während sie die Geräusche der Schweine hinter der Holzwand hörte und den ruhigen Atem ihrer Kinder, zu ihrem Mann sagte: »Ich habe heute den Händler getroffen. Er sagt, daß Männer umherziehen, die sich geißeln wie unser Erlöser und das Ende der Welt voraussagen.« »Was?« brummte der Mann unwirsch, der schon halb in den Dämmerschlaf der Erschöpfung gesunken war und erschrocken daraus emporfuhr.
    »Die Welt geht unter. Der Herr kehrt zurück, um über die Menschen zu richten.«
    »Unsinn, Weib. Wir haben gerade die Saat ausgebracht,und das Getreide fängt zu sprießen an. Wie sollte die Welt untergehen, wenn alles noch so wunderbar wächst? Glaubst du, Gott läßt alles neu erstehen, wenn er doch nur alles beenden will?«
    »Ich weiß nicht, Mann. Es soll ja noch nicht gleich geschehen; vielleicht erst im Winter oder im nächsten Jahr. Der Händler hat es nicht so genau gesagt.«
    »Was für ein Blödsinn. Schlaf jetzt, ich habe den ganzen Tag gearbeitet und bin müde.«
    »Aber es geht um unser Seelenheil«, protestierte Agnes. »Willst du, daß wir oder unsere Kinder in die Hölle verbannt werden? Vielleicht sollten wir dem Priester das Geld geben, das wir gespart haben, damit er für uns beten läßt?« Agnes’ Mann fuhr so vehement in die Höhe, daß die Kinder im Schlaf zuckten und selbst die Schweine erschrocken quiekten.
    »Komm ja nicht noch mal auf so einen Gedanken!« rief er. »Wenn du schon nicht damit aufhören kannst, dann sprich von mir aus mit den Weibern im Dorf darüber oder mit dem Pfaffen; aber wenn du ihm etwas von dem Geld sagst, schlag’ ich dich grün und blau.«
    »Ich sag’ schon nichts«, murmelte Agnes, ohne der Drohung viel Gewicht beizumessen. Ihre Gedanken waren bereits wieder bei den Menschen, die durch das Land zogen und sich zur Ehre des Herrn und seiner Wiederkehr blutig schlugen. Zuletzt schlummerte sie ein mit dem beruhigenden Vorsatz, den Priester zu fragen. Er würde ihr erklären, was es

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