Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser
Gut, bleibst ein oder zwei Tage und kommst wieder hierher.«
Philipp verzichtete darauf, Radolf mitzuteilen, welche Strapazen dies für ihn bedeuten würde. Statt dessen sagte er: »Ich dachte, es brennt Euch die Zeit auf den Nägeln.«
»Ich habe nachgedacht«, sagte Radolf und breitete die Arme aus. »Lieber komme ich spät zu meinem Recht als niemals.«
»Der Kardinal hat mich ebenfalls zur Eile angehalten.«
»Der Kardinal«, knurrte Radolf, »hat mir gerade einmal den kleinen Finger gegeben, wo er mir den ganzen Arm schuldet. Es geht ihn überhaupt nichts an, was ich aus seiner sogenannten Hilfe mache!«
»Ich bin sicher, er freut sich zu hören, daß Ihr überhaupt etwas damit anfangen könnt«, sagte Philipp. Radolf reagierte nicht auf die Spitze.
»Da du schon sagst, daß es lange dauern wird, bis du die Dokumente angefertigt hast, fängst du am besten gleich an. Was brauchst du für deine Arbeit?«
»Was ich zum Schreiben brauche, habe ich bei mir. Von Euch brauche ich zunächst die Angaben, welche Dokumente Ihr in Eurem Besitz hattet, wie sie aussahen, welche Siegel und Unterschriften darauf waren, wo sich Abschriften befinden könnten, auf die Bezug zu nehmen ist, und natürlich die entsprechenden zeitlichen Angaben, die Eure Gattin betreffen: Jahresangaben, Tagesdaten und so fort.«
»Woher soll ich das wissen?« rief Radolf.
»Ohne diese Angaben wird alles, was ich anfertige, ziemlich wertlos sein.«
»Wieso?«
»Weil man die Fälschung ohne weiteres aufdecken wird. Vielleicht hat es der Kardinal Euch gegenüber nicht so deutlich ausgedrückt, aber mir selbst hat er klar zu erkennen gegeben, daß er sich nicht einmischen wird. Euer künftiges Glück – und meine persönliche Freiheit und Unversehrtheit – hängen ganz allein von der Qualität der Unterlagen ab, die ich anfertige. Rechnet also nicht damit, daß der Kardinal zu Euren Gunsten eingreift oder gar eine Entscheidung herbeiführt, die nicht durch hieb- und stichfeste Dokumente belegt ist. Sollte die Fälschung auffliegen, wird Seine Exzellenz nicht einmal den kleinen Finger rühren, den Ihr angesprochen habt, um uns zu helfen.«
»Dieser Bastard«, knirschte Radolf.
»Was meint Ihr, wie ich mich fühle?«
Zum erstenmal, seit er in Radolfs Haus weilte, schien der Burgherr Philipp richtig zu sehen. Er starrte ihm in die Augen, als hoffe er darin etwas zu erkennen.
»Warum tust du das?« fragte er schließlich. »Welche Macht hat er über dich?«
»Der Kardinal? Keine.«
»Was hat dich dann bewogen, seinen Auftrag anzunehmen? Bezahlt er dich so gut dafür?«
»Niemand hat über Bezahlung gesprochen. Mein Herr hat mich für diesen Auftrag empfohlen und mich gebeten, ihn nicht abzulehnen.«
»Ich kenne deinen Herrn nicht. Warum verzichtet er auf seinen Truchseß, nur um mir zu helfen?« »Ich kenne seine Gründe nicht«, log Philipp, und Radolf schien seine Lüge zu durchschauen. Etwas wie ein Schatten huschte über sein Gesicht. Philipp hatte den Eindruck, daß es Angst war. Angst davor, daß etwas hinter seinem Rücken geschah, auf das er keinen Einfluß hatte und das er nicht verstehen konnte. Fast schien es, als horche er, ob da eine Stimme wäre, die ihm zuflüsterte: Ratschläge etwa, oder auch Drohungen. Er zog die Schultern hoch.
»Wie du meinst«, sagte er. »Ich werde eine Weile brauchen, bis ich alle Daten beisammen habe. Ich schreibe sie dir auf.«
»Könnt Ihr schreiben?« fragte Philipp erstaunt. Radolf schnaubte.
»Gut genug«, sagte er und stand auf. »Ich lasse dich holen, wenn ich soweit bin.«
Er verließ die Aula, und Dionisia betrat sie. An der Treppe neben Radolfs Kammer begegneten sie sich. Radolf blieb stehen und nickte ihr unbeholfen zu; Dionisia erwiderte das Nicken, aber es blieb Philipp nicht verborgen, daß sie Radolf unwillkürlich auswich. Radolf verschwand die Treppe hinab.
Philipp war am Tisch stehengeblieben, wie er sich erhoben hatte, als Radolf aufgestanden war. Er trat beiseite, als sich Dionisia näherte. Sie machte sich an den Bänken zu schaffen, und Philipp half ihr, die Eßmöbel wieder aus der Mitte des Saales zu entfernen. Er hob die Tischplatte von den Böcken und sah Dionisia fragend an.
»Neben den Kamin«, sagte sie. »Lehnt sie einfach gegen die Mauer.«
Als Philipp die Platte absetzte, sah er, daß ihre Unterseite bemalt war. Er drehte sie um und stellte sie so, daß die Bemalung nicht mehr auf dem Kopf stand. Dann trat er einen Schritt zurück. Die Bemalung bestand aus
Weitere Kostenlose Bücher