Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
mit Staunen, um so mehr, da ersichtlich war, daß der Mann sich nicht vor ihm ängstigte. »Kannst du mir etwas beantworten?« fragte Philipp bedächtig. »Weshalb wohnt Radolf allein auf seinem Gut?«
    Der Pferdeknecht drehte den Kopf, als würde ihn etwas am Hals zwicken.
    »Er wohnt doch nicht allein: Die junge Herrin ist da, die alte Frau, ab und zu das Küchenmädchen und die Männer, die den Frondienst leisten ... «
    »Aber er hat keine Vertrauten. Wo sind seine Burgmannen,die mit ihm im Haus wohnen? Wo ist sein Kämmerer? Sein Knappe?«
    Der Pferdeknecht druckste herum.
    »Niemand ... wurde ausgewählt«, sagte er schließlich, aber es klang, als habe er sagen wollen: Niemand will sich hier aufhalten.
    Philipp nickte. Er verzichtete darauf zu fragen, was nach Ansicht des Pferdeknechts passieren würde, wenn feindliche Kräfte das Haus und das Dorf angriffen.
    »Der Herr ist ein guter Herr«, sagte der Pferdeknecht, als sehe er das Bedürfnis, Radolf trotz allem zu verteidigen. »Er füttert seine Pferde nicht auf unseren Weiden und lädt keine Freunde ein, in unseren Häusern die Gastfreiheit zu genießen, er hat auch noch niemals das Recht der ersten Nacht für sich in Anspruch genommen.« Er machte eine Pause. »Sein Vorgänger war in dieser Hinsicht weniger zimperlich.«
    »Sein Vorgänger? Ich dachte, Radolf hätte dieses Haus erbaut?«
    »Nein, es saß vor ihm ein anderer Herr auf dem Gut.«
    »Was ist mit ihm geschehen?«
    »Ich glaube, er ist von der Pilgerfahrt gegen die Heiden nicht zurückgekehrt. Ich weiß es nicht genau; ich lebte zu diesem Zeitpunkt noch nicht hier. Meine Familie hat sich erst vor kurzem in einem leerstehenden Haus im Dorf niedergelassen. Wir hatten das Umherziehen satt.«
    »Wenn Radolf ein so freundlicher Herr sein soll, wundert es mich, daß sein Gut derartig verlassen ist. Es müßte hier von fröhlichen Leibeigenen, singenden Dienstboten und lustig zechenden Gefährten des Herrn geradezu wimmeln.«
    Der Pferdeknecht erwiderte darauf nichts; er zupfte mitseiner verletzten Hand an den Strohhalmen, die aus der Garbe unter seinem anderen Arm herausragten.
    »Schmerzt dein Arm noch?« fragte Philipp.
    Der Pferdeknecht nickte.
    »Bis deine Kinder alt sind, ist er wieder in Ordnung.«
    »Ich glaube nicht«, erwiderte der Pferdeknecht düster.
    »Was meinst du damit?«
    »Es ist eine böse Wunde.«
    »Viele böse Wunden heilen wieder.«
    »Ich habe es anders gemeint.«
    Philipp hob beide Brauen und sah den Pferdeknecht fragend an. Der finstere Ausdruck in den Augen des Mannes alarmierte ihn. Draußen schob sich die herandrängende Wolkenwand über die Sonne und löschte das goldfarbene Licht im Stall aus.
    »Es ist ein Omen«, sagte der Pferdeknecht.
    »Natürlich; ein Omen dafür, daß du das nächste Mal besser aufpassen solltest.«
    Der Pferdeknecht schüttelte den Kopf, ohne das Gesicht über Philipps Bemerkung zu verziehen. »Gestern habe ich den Herrn in seine Kammer getragen. Heute in aller Frühe reißt mir ein fauliger Ast das Fleisch von den Knochen«, sagte er.
    »Soweit ich mich erinnere, hattest du mit beiden Armen zu tun, um Radolf die Treppe hinaufzutransportieren. Wenn dein Unfall schon ein Omen sein soll, dann bestenfalls ein halbes.«
    »Vielleicht werde ich den anderen Arm morgen verlieren.«
    »Das ist nur ein Zufall«, sagte Philipp unwillig. »Ich habe ihn ebenso wie du getragen, und mir ist nichts geschehen.«
    »Die Vorsehung arbeitet nicht immer gleich schnell«,erklärte der Pferdeknecht. Er wandte sich brüsk ab und versuchte, mit dem gesunden Arm Heu in die Krippe zu stopfen, in die die Pferde ihre Nasen steckten. Philipp nahm ihm das Heu aus der Armbeuge und erledigte die Arbeit, während der Pferdeknecht mit verkniffenem Gesicht danebenstand und den steifen Verband befühlte, der seinen aufgeschundenen Arm umfing. »Danke«, sagte er schließlich.
    »Weshalb glaubst du, daß es dir Unglück bringt, Radolf zu berühren?«
    »Das habe ich nicht gesagt«, erwiderte der Pferdeknecht vorsichtig.
    »Dann mußt du eine andere Sprache sprechen als ich.«
    »Es hat nichts mit Herrn Radolf zu tun. Wenn es so wäre, müßte ich bereits tot sein. Ich berühre sein Pferd, und ich berühre ihn, wenn ich ihm hinaufhelfe.«
    »Und das Omen?«
    Der Pferdeknecht seufzte.
    »Ihr wißt doch, was er gestern getan hat. Ihr habt es doch selbst gesehen.«
    »Ich habe gesehen, daß er betrunken und ... nun ... nackt war. Wenn dir immer gleich der halbe Arm abfällt, sobald du

Weitere Kostenlose Bücher